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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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zu verfehlen. Meine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, etwas
     Mondlicht schien durch die Baumkronen und der Bach murmelte unermüdlich zu meiner Rechten. Dennoch dauerte es keinedrei Minuten, bis ich das erste Mal stolperte und hinfiel. Während ich mein schmerzendes Knie rieb, horchte ich auf die Geräusche
     um mich herum. Der Bach übertönte viel, nicht aber das heisere Rufen eines Käuzchens am anderen Ufer und das Rascheln in den
     welken Blättern gleich hinter mir. Wohl eine zu Boden fallende Eichel oder eine Maus. »Jedenfalls nicht das mörderische Munkelbacher
     Killereichhörnchen, Eva«, sagte ich laut zu mir selbst, lachte kurz über meinen eigenen Scherz und zwang mich weiterzugehen.
    Mein Tempo war zu schnell, zu hastig, ich merkte es an dem Schweißfilm, der sich bald auf meinem Rücken bildete. Auch war
     der Trekkingrucksack schwerer als gedacht, meine Schultern begannen zu schmerzen. Ich wollte aber nicht trödeln! Ich wollte
     zu Julian und ich wollte raus aus dem Wald.
    Also weiter! Verdächtiges Knacken im Unterholz, das Gefühl, als sei jemand hinter mir her? Einbildung! Hier war niemand außer
     mir.
    »Hast du jetzt Angst?«, hatte der Fuchs mich mal in einer Stunde gefragt, als das Thema plötzlich auf arg Unangenehmes gekommen
     war und ich meine Knie hatte festhalten müssen, weil sie so zitterten. Ich hatte ihm keine Antwort gegeben, hatte gehofft,
     er sähe es nicht, was natürlich illusorisch war, da er unentwegt jede meiner Regungen registrierte. Er hieß nicht nur zufällig
     »Fuchs«, er hatte auch alle Eigenschaften, die diesem Tier in Fabeln zugesprochen werden: Er war schlau, gerissen und Furcht
     einflößend für Hasenfüße wie mich, wenn sein Gesicht auch manchmal weich und freundlich wurde.
    »Warum?«, hatte er mich gefragt und die Vokale dabei in die Länge gezogen. »Was kann denn passieren?«
    »Gar nichts!«, musste die Antwort lauten. »Mäuse, Eulen und Eichhörnchen tun mir nichts und ich fürchte mich auch nicht!«
    So ging ich weiter, mich Schritt für Schritt mit den Stimmen des Waldes vertraut machend und mit der Zeit sogar neugierig
     spähend, ob ich vielleicht die Eule entdecken könnte, deren Rufe mich weiter begleiteten. Stark kam ich mir vor, bis ich die
     Stelle erreichte, an der die Forststraße kreuzte.
    Zunächst war es nur eine Frage der Orientierung. Die Kreuzung war mir auf dem Umgebungsplan am Bahnhof nicht aufgefallen,
     vielleicht war die Karte schon älter und die breite, geschotterte Forststraße noch nicht eingezeichnet. Sie kam von links
     den Hügel hinunter, führte über eine stabile Holzbohlenbrücke auf die andere Bachseite und folgte, soweit ich sehen konnte,
     dessen Verlauf. War dies die Strecke, die ich zu gehen hatte? Die Rauschenmühle, in der Julian auf mich wartete, lag diesseits
     des Baches. Hier aber konnte ich keinen weiteren Fußweg erkennen. War er mittlerweile zugewuchert, weil man nun die Forststraße
     benutzte? Oder begann der alte Pfad weiter oben beziehungsweise unten, direkt dort, wo die Brücke den Bach überspannte? Ich
     zögerte, trat in den Schutz eines gezimmerten Regenhäuschens, lud meinen Rucksack auf die für hungrige und müde Wanderer vorgesehene
     Bank, von der er mit einem dumpfen Geräusch sogleich herunterkippte, ließ ihn liegen und entspannte kurz meine strapazierten
     Schultern. Gerade beschloss ich, den Einstieg zumTrampelpfad zunächst weiter unten zu suchen, als ich das Motorengeräusch hörte. Im nächsten Moment waren der Rucksack und
     ich unter der Bank verschwunden und das Auto bretterte über die Brücke. Schotter knirschte, Bremsen kreischten, als der Geländewagen
     vor dem Regenhäuschen zum Stehen kam. Motor aus: Stille, darin das gedämpfte Dröhnen einer Stereoanlage, mein hämmerndes Herz,
     mein viel zu lauter Atem.
    Von so einer Situation hatte ich nachts schon tausendmal geträumt.
    Ruhig, Eva, nicht denken, nicht bewegen, nicht atmen.
    Die Türen gingen auf, die Musik wurde erst ohrenbetäubend laut, dann abgedreht und durch Stimmen ersetzt: »So, Arschloch,
     von hier aus kannst du zu Fuß gehen!«
    Jemand fiel aus dem Wagen und schlug auf dem Weg auf. Eine Person, die sich nicht mehr wehrte. Sie blieb gekrümmt liegen und
     bewegte sich nicht. Dann stieg ein junger Mann aus, trat auf den Liegenden ein, blieb dann neben ihm stehen, stemmte die Hände
     in die Hüften und sah sich um.
    Ich kniff die Augen zu und machte mich unter der Bank so klein wie möglich.

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