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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Fotos!«
    »Das interessiert mich doch gar nicht. Ich gehör nicht zu denen. Ich bin nur zufällig vorbeigekommen.«
    Der Junge gab ein leises Jammern von sich. Vielleicht weinte er.
    »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die sind weg. Aber du kannst nicht hier liegen bleiben, versuch aufzustehen, komm,
     ich helfe dir.« Ich berührte ihn erneut, er wich zurück, wobei er einen Laut ausstieß, der mehr an eine angefahrene Katze
     als einen jungen Mann erinnerte. Erschüttert und hilflos rief ich: »Es ist zu kalt, um hier liegen zu bleiben. Außerdem kommen
     die vielleicht zurück. Lass dir doch helfen, bitte!«
    »Ich brauche keine Hilfe!«
    »Kannst du denn überhaupt aufstehen?« Ich versuchte noch einmal, ihm meine Hand zu reichen.
    »Lass mich! Lasst mich alle in Ruhe!« Dann krümmte er sich zusammen, weinte. »Ich komme allein zurecht, es ist eh alles egal.
     Geh! Bitte, geh doch!«
    Der kommt nicht zurecht, dachte ich. Der hat noch nicht mal kapiert, dass ich nicht zu den Tätern gehöre. Der kann vielleicht
     gar nicht allein laufen, wird innere Verletzungen haben, erfrieren.
    »Ich renne zur Mühle, von da kann ich anrufen: einen Krankenwagen, die Polizei, deine Eltern   …« Ich wusste nicht, wie er hieß, aber das würde ich jetzt auch nicht von ihm erfahren.
    »Geh!« Der Junge flehte fast. Er stand unter Schock. Ich musste mich beeilen.
    Ich packte meinen Rucksack, riss ihn in meiner Hast falsch herum vom Boden hoch, drehte ihn umständlich, wuchtete ihn mir
     auf die erschöpften Schultern.
    »Ich mache so schnell, wie ich kann. Ich versprech’s!« Letzteres wiederholte ich, um mir selbst Mut zu machen. »Ich versprech’s,
     ich versprech’s«, sagte ich, während ich den Einstieg des Pfades suchte, aufgescheucht auf und ab lief, ihn nach einigen Minuten
     endlich fand und von dort keuchend noch einmal zu dem am Boden liegenden, schluchzenden Häufchen Mensch hinübersah.
    »Ich hole Hilfe! Ich komme mit meinem Freund. Ich bin gleich wieder da.« Mit schnellen Schritten stolperte ich in den Wald.
    Bis zur Mühle war es noch ein ganzes Stück zu laufen. Bald war ich nass geschwitzt und keuchte vor Anstrengung, wenig später
     schmerzte mir außerdem der Kopf,weil ich in meiner Hast gegen einen tief hängenden Ast geprallt war. Dieser Teil des Pfades war nicht so begangen und ausgetreten
     wie der erste. Auch führte er gut hundert Meter oberhalb des Baches am Hang entlang, sodass der kaum zu hören war. Irgendwann
     blieb ich stehen, weil ich fürchtete, mich zu allem Übel auch noch verirrt zu haben. Ich stand mit bebendem Brustkorb und
     berstendem Schädel inmitten eines dornigen Gebüschs und hätte am liebsten einfach nur geheult.
    Doch da sah ich in der Ferne endlich einen rettenden Lichtschein. Engelgesandt und überirdisch kam mir die Rauschenmühle vor:
     ein Ort, an dem ich Schutz fand wie sonst nur in der Praxis des Fuchses, ein Ort, an dem ich Hilfe für den verprügelten Jungen
     finden würde, ein Ort, an dem ich sehnsüchtig erwartet wurde.

7
    Julian saß mit hochgelegtem, bandagierten Fuß auf der hell erleuchteten Hofterrasse, von der aus er Wanderpfad, Bachbrücke
     und Zufahrtsstraße im Blick hatte. Das Bruchsteinmauerwerk der rechtwinklig angeordneten Mühlgebäude war mit Weinranken bewachsen,
     deren rot verfärbtes Laub warm und heimelig schimmerte. Ich war angekommen! In Sicherheit!
    Als mein Freund mich sah, fuhr er sofort vom Gartenstuhl hoch und hinkte mir entgegen: »Endlich! Ich hab mir schon Sorgen
     gemacht.«
    »Julian!« Ich rannte auf ihn zu und stürzte mich so heftig in seine Arme, dass ich ihn fast umwarf.
    »Eva, wo warst du denn so lange? Und wie siehst du aus?«
    Seine Nähe war so tröstlich, so erleichternd, dass ich augenblicklich anfing zu weinen.
    »Im Wald ist was passiert   …«
    »Im Wald?« Er ließ mich los. »Warum hast du dir denn am Bahnhof kein Taxi genommen?«
    »Da standen keine Taxis!« Ich schrie meine ganze Anspannung hinaus. »Ich hab noch gewartet, aber es kam keins, also bin ich
     eben durch den Wald gegangen und da   …«
    »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht   …«
    »Ich weiß«, schluchzte ich laut, »aber   …«
    »Okay, okay, schon gut, da können wir jetzt nichts dran ändern.« Julian hob beschwichtigend die Hände und sah sich rasch um,
     so als überlege er, was wir nun tun könnten. »Lass uns ins Haus gehen!«
    Ich aber hatte schon meinen Rucksack abgestreift und ließ mich erschöpft auf den zweiten

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