Schwindelfreie Luegen
Zufälle zu viel? Doch dann schüttele ich diesen Gedanken einfach ab. Ich werde langsam paranoid. Obwohl – Paranoia ist die große Schwester der Langlebigkeit, sagte mein Vater immer, aber der war ja auch Polizist.
»Sehr gerne, Jean. Ich bin Sylvie.«
Galant lässt er mir den Vortritt und wir folgen dem Pagen zu den Aufzügen.
Da dieser nur den Knopf für das siebte Stockwerk drückt, wohnen wir wohl auch noch auf der gleichen Etage. Ach was.
Der Aufzug ist relativ eng mit dem Gepäckwagen und ich stehe ganz dicht an Jean gedrängt, wage kaum zu atmen, damit ich ihn nicht berühre. Er riecht so frisch und männlich, als hätte er gerade erst geduscht, sein Hemd ist gestärkt und absolut knitterfrei. Ich hingegen könnte gut eine Dusche und frische Kleidung vertragen, immerhin bin ich seit mehr als elf Stunden unterwegs.
»Mademoiselle Sylvie, würde n Sie mir die Ehre erweisen, mit mir das Frühstück auf der Strandterrasse einzunehmen? Mein Geschäftstermin wurde gecancelt, so habe ich morgen den ganzen Tag zur freien Verfügung.«
Er ist mir so nah und da ich fast so groß wie Jean bin, seh e ich das Grün in seinen Augen leuchten. »Sehr gern, Jean, sagen wir neun Uhr?«
Nickend lächelt er mich an.
Endlich sind wir im siebten Stock, der Aufzug ist aber auch wirklich langsam. Schräg gegenüber dem Lift öffnet der Page eine Tür, stellt mein Gepäck ins Zimmer und reicht mir die Key Card.
»Darf ich?« Jean drückt dem Pagen eine Geldnote in die Hand, der daraufhin die Tür ein Zimmer weiter öffnet. Als Jean mir die Hand reicht, flüstert er mir leise ins Ohr: »Gute Nacht, Sylvie. Denken Sie daran – ich schlafe direkt neben Ihnen.« Dann ist er auch schon in seinem Zimmer verschwunden.
Oh. Mein. Gott. Diese Suite ist eine Wucht. Die Aussicht auf die Bucht von Cannes, mit ihren kleinen Booten, die in der leichten Brise schaukeln, ist atemberaubend. Zwar ist in der Dunkelheit nicht viel auszumachen, aber die Lichter tanzen auf dem Wasser und es sieht einfach grandios aus.
Ich öffne die Balkontüren und lasse die laue Luft herein. Sie riecht ein wenig salzig und ich fühle, wie alle Last plötzlich von mir abfällt. Düsseldorf und dieser verdammte Überfall sind plötzlich so weit weg, als würde das alles hinter dem Mond liegen.
Ich packe den Koffer aus und stelle fest, dass meine Garderobe für dieses Hotel und diesen Ort absolut nicht angemessen ist. Ich sollte morgen einkaufen gehen, auch wenn es mein Konto sprengen wird. Schließlich habe ich in den letzten drei Jahren keinen Urlaub gemacht, da kann man sich ja mal etwas gönnen.
Das Bett ist mit edler Bettwäsche bezogen, welche die gleiche Farbe wie die Vorhänge an den Fenstern hat. Die Einrichtung ist dezent gehalten, wirkt fast königlich. Mein Gott, da hat Herr Kovac aber tief in die Tasche gegriffen, um mir diesen Aufenthalt zu ermöglichen. Dabei sieht das dem alten Geizkragen gar nicht ähnlich. Doch darüber will ich mir jetzt keine Gedanken machen.
Glücklich seufzend packe ich mein seidenes Nachthemd aus und springe unter die Dusche.
Mein langes platinblondes Haar flechte ich zu einem Zopf, sodass es morgen in Wellen über meine Schultern fällt. Es ist schon fast zwei Uhr, als ich endlich das Licht lösche und versuche zu schlafen. So ganz will es mir nicht gelingen. Meine Gedanken wandern immer wieder zu dem Mann, der nach eigenen Angaben neben mir schläft .
Das hätte er wohl gern. So schnell bin ich nicht zu haben, da muss er mehr auffahren, als nur ein paar schöne Worte mit einem sexy Akzent. Obwohl, wenn ich ihn mir genau ins Gedächtnis rufe mit seinen braunen kurzen Haaren, die an den Schläfen schon ein wenig ergraut sind, der schlanken und doch gut trainierten Figur, sowie diesen Augen mit ihrem hinreißenden Grün, muss ich zugeben, er sieht wirklich fantastisch aus. Ich schätze ihn auf Ende dreißig. Hm, er scheint wohl doch mehr Eindruck auf mich gemacht zu haben, als ich ahnte.
W as kann an einem harmlosen Urlaubsflirt schon falsch sein? , beruhige ich mich schließlich. Mit dem Gedanken an das Frühstück mit diesem atemberaubenden Mann schlafe ich endlich ein.
Bis ich die Strandterrasse betrete, ist es schon Viertel nach neun am nächsten Morgen. Ich bin eindeutig zu spät. Dabei bin ich schon kurz nach Sonnenaufgang aufgewacht, habe mich aber mindestens ein Dutzend Mal umgezogen, bis ich mich dann doch für die weiße Jeans und eine geblümte Bluse in Dunkelblau entschieden habe. Immerhin
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