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Schwindelfreie Luegen

Schwindelfreie Luegen

Titel: Schwindelfreie Luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Arnold
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geschwitzt, mein Shorty ebenfalls. So geht es nun schon fünf Tage. Seit dem Raubüberfall schlafe ich kaum, und wenn, dann durchlebe ich immer wieder das gleiche Szenario.
    Die Polizei geht von einem Auftragsdiebstahl aus, denn der Räuber war nur an einem ganz bestimmten Stück interessiert, mehr hat er nämlich nicht entwendet. Das Kostbarste im Safe, ein Collier in Blumenform, besetzt mit 708 Rubinen. Es sollte am Montag zusammen mit anderen Stücken nach Cannes gebracht und dort vor den Filmfestspielen ausgestellt werden. Der Besitzer dieses wundervollen Schmuckstücks verweilt zurzeit auf seinem Anwesen in der Nähe von Düsseldorf und hatte es bis zum Transport in die Obhut meines Arbeitgebers gegeben. Nun ist es geraubt worden und ich bin dafür verantwortlich, weil mir schließlich beim Überfall doch noch die Kombination des Tresors einfiel und ich sie dem Dieb preisgab. Um mein lumpiges Leben zu retten.
    Obwohl Herr Kovac immer wieder beteuert, dass kein Schmuckstück der Welt ein Menschenleben wert sei, plagt mich nun Nacht für Nacht die Erinnerung an den Überfall. Dabei ist es nicht einmal die gefährliche Situation, in der ich mich befand, die mir den Schlaf raubt. Nein, es ist vielmehr das eigenartige, fast fürsorgliche Verhalten des Diebes, das mich mehr beschäftigt, als es sollte. Mein Gott, bin ich in meinem Beruf wirklich so einsam geworden, dass ich mich nach der unangemessenen Aufmerksamkeit eines bewaffneten Diebes sehne? Offensichtlich.
    Meine Nächte sind nicht mehr erholsam, ich kann mich tagsüber kaum noch konzentrieren, und das sieht man mir inzwischen an. Also habe ich mir auf Anraten meines Chefs Urlaub genommen, um erst einmal einen gewissen Abstand zu diesem Überfall zu gewinnen. Eine Distanz, die mir guttun wird, solange ich nicht die Augen schließe und träume.
    Gähnend gehe ich in die Küche meiner kleinen Zweizimmerwohnung und hole mir ein Glas Wasser. Dabei fällt mein Blick auf den Umschlag, den ich am frühen Abend durch einen Boten erhalten habe. Er enthält eine Zugfahrkarte nach Cannes, sowie die Reservierungsbestätigung eines Hotelzimmers für fünf Tage. Nun, Herr Kovac ist wohl augenscheinlich der Meinung, ich bräuchte dringend etwas Abwechslung. Aber muss es ausgerechnet Cannes sein, wo eigentlich das Collier hinreisen sollte? Der Mann hat eine eigenartige Vorstellung davon, was mir gut tun könnte, aber das Reiseziel kommt mir dennoch sehr entgegen. Immerhin ist es dort wenigstens schön warm, während der Rest Europas in diesem Mai von einer Kältewelle heimgesucht wird.
    Mein Zug fährt am nächsten Tag um halb eins ab Düsseldorf Hauptbahnhof. Ein Flug wäre wesentlich schneller als elf Stunden Zugfahrt mit zweimal Umsteigen, doch einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul. Ich kann ohnehin nicht mehr schlafen, also fange ich um halb vier morgens an, meinen Koffer zu packen, nachdem ich geduscht, mich umgezogen und das Bett frisch bezogen habe.
    Plötzlich fällt mein Blick auf eine dunkle Stelle im Teppich, die ich vorher noch nie wahrgenommen habe. Ich gehe in die Hocke und begutachte den Fleck. Er ist feucht! Vom Regen? Aber ich habe gestern gar nicht das Haus verlassen!
    Mein Blick geht zur offenen Balkontür. Ich bin nicht ängstlich und lüfte gerne gründlich. Gerade in meiner Wohnung fühle ich mich immer sicher. Wer soll denn auch hier im 2. Stock über den Balkon einsteigen?
    Mit einem Schirm und einer Frauenzeitschrift bewaffnet, schleiche ich durch meine Wohnung und sehe sogar auf dem Balkon nach. Nichts. Der Boden glänzt vor Nässe, ich frage mich, was ich erwartet habe, dort zu finden. Fußabdrücke? Eine Visitenkarte?
    Nein , ich glaube, es ist wirklich Zeit für einen Tapetenwechsel.

 
     
    In Aix-en-Provence steige ich in den TGV Richtung Cannes. Wir haben fast 22 Uhr und in circa zwei Stunden werde ich endlich in Cannes eintreffen.
    Es ist dunkel und von der herrlichen Landschaft da draußen ist nicht mehr viel zu sehen, allerdings kann man sie riechen. Der unverwechselbare Geruch Südfrankreichs nach Wärme und Zitrusfrüchten. Wunderbar und voller Versprechen. Trotzdem wird der Blick aus dem Fenster eintönig, deshalb verziehe ich mich in den Speisewagen, trinke ein Glas Wein und blättere in dem Reiseführer, den ich am Bahnhof gekauft habe. Der Zug ist voll, alles scheint zu den Filmfestspielen unterwegs zu sein.
    »Madame, excusez-moi sʼ il vous plaît, ist dieser Platz noch frei?«
    Mein Blick fällt zuerst auf

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