Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
ja.
Und wenn sie versucht zu sagen:
Es tut mir wirklich leid, lautet die Antwort:
Warum denn?
Oder einfach nur: Bitte?
Das sagt Babba gern, um Zeit zu gewinnen.
Oder aber sie wird antworten: Du scheinst dir nicht darüber im Klaren zu sein, dass du einen Roman gelesen hast.
Du meinst, es ist nicht wahr?
Ja, was glaubst denn du!
Sie hat die Macht, denkt Lillemor, während sie auf der Toilette sitzt und Angst hat.
Babba hat ihr eine Art Hausanzug aus hellblauem Fleece gegeben, der ihr viel zu groß ist. Außerdem hat sie ein Paar große Lammfellpantoffeln bekommen. Sie könnte schwören, dass die einem Mann gehören. Der Anzug ist warm und angenehm, und als sich die Wärme in ihrem Körper ausbreitet, legt sich die Panik, und die Magenschmerzen vergehen. Während sie im Duschraum ist, hört sie jemanden kommen. Eine Männerstimme redet laut und munter. Doch als sie hinauskommt, ist er fort, und ein Hund schnüffelt an ihrem Hosenbein. Es ist eine alte Mischlingshündin mit grauer Schnauze und kurzem, gelb und schwarz meliertem Fell. Sie hinkt mit dem rechten Hinterlauf, als sie zu ihrem Körbchen geht.
»Das ist Sassa«, sagt Babba.
»Ist das deine?«
»Aber ja. Der Nachbar bringt sie immer in seinem Zwinger unter, wenn ich in die Stadt fahre.«
»Du Glückliche kannst einen Hund halten«, sagt Lillemor.
»Du etwa nicht?«
Da fällt Lillemor auf, wie einsam sie seit Sunes Tod eigentlich ist. Sie weiß unter allen ihren Bekannten niemanden, der sich um einen Hund kümmern könnte, wenn sie verreist.
Babba hat den Holzherd eingeheizt, der neu zu sein scheint. Er ist weiß und emailliert. Daneben steht ein elektrischer Miniherd, worauf bereits ein Topf Kartoffeln kocht. Die Bratpfanne stellt Babba dagegen auf den Holzherd. Sie nimmt für jede eine geräucherte Grützwurst und brät sie in Butter. Sie hat Dünnbier da, schenkt aber auch jeder einen Aalborgs Jubiläums Aquavit ein. Es ist lange her, dass Lillemor etwas Hochprozentiges getrunken hat, aber diesen Schnaps nimmt sie. Und dann essen sie die Wurst mit Roten Beten und Spiegelei.
Sie sitzen einander jetzt gegenüber, und es lässt sich nicht mehr wegdenken, wie Babba aussieht. Lillemor wird böse, als sie die schweren Wangen und die unförmige Nase sieht. Diese in Fettpolster eingebetteten Augen. Warum erlaubt sie sich, so dick zu werden? Aber das war ihr schon immer egal. Ist das wieder ihr Hochmut?
Nach dem Essen braut Babba Kaffee, und mit den Tassen packt sie eine große Tüte Schleckerkram auf den Tisch.
»Frisch«, sagt sie. »Hab ich für dich gekauft.«
»Bei PrisXtra?«
Sie nickt.
»Du hast gewusst, dass ich dir gefolgt bin?«
»Ja, Steve hat mich vor dir gewarnt. Er hat gesagt, dass du Ende vergangener Woche da warst.«
»Du hast mich in dem Auto heute gesehen?«
Babba nickt.
Ihr bleibt kaum etwas anderes übrig, als anzufangen, die Tüte zu leeren. Und es ist unmöglich, über das zu sprechen, weswegen sie gekommen ist. Sie weiß einfach nicht, wie sie anfangen soll, und sie ist so müde, dass ihr nichts einfallen will.
Als sie im Wohnzimmer Rapport anschauen, schläft Lillemor auf ihrem Stuhl ein. Sie wird davon wach, dass Babba einen Laut von sich gibt, und sieht auf dem Bildschirm Blut auf Asphalt und kaputte Schuhe. Es hat mal wieder ein Attentat gegeben. Zweiundfünfzig Menschen sind in Bagdad in die Luft gejagt worden. Darunter Kinder.
»Aha«, sagte Babba spitz. »Und wo ist da jetzt Gott? Was macht er dagegen?«
Lillemor will auf diesen Ausbruch erst nicht reagieren. Das hat sie ja auch früher nie getan.
Aber in diesem Halbdämmer der Müdigkeit sagt sie stattdessen genau, wie es ist: »Gott handelt durch die Menschen.«
»Bitte?«
»Denk an all die Fürsorge und alltägliche Arbeit. An alles, was Menschen anderen Gutes tun. Es gibt solche Taten auf der Welt. Überall. Die gibt es zur selben Zeit wie Terror und Zerstörung.«
Babba widerspricht ihr komischerweise nicht, sondern brummelt nur, dass sie ein Bett herrichten werde. Sie schüttelt einen quietschgelben Bettbezug mit türkisfarbenen Blumen auf.
Lillemor wird jetzt in dem Raum die Nacht verbringen, in dem sie vor langer, langer Zeit allein gelegen hat, schlaflos und voller Angst. Das Bettsofa steht am selben Platz, an dem vor über fünfzig Jahren das Bett stand. Es ist alles so sonderbar. Sie schläft jedoch darüber ein.
Am Vormittag sitzen sie
einander wieder am Küchentisch gegenüber. Als Lillemor Babba bei Tageslicht sieht, denkt sie: Warum soll
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