Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
sorgfältig.
Kapitel 66
E s hatte ein frühes Mittagsmahl gegeben. Die Haushälterin hatte bei der Bitte eisern neutral dreingeblickt, doch sie hatte Marcus zugenickt und sich darum gekümmert. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen.
So hatten sie denn ein Dankgebet gesprochen und sich an die Vertilgung dessen gemacht, was der Herr – in diesem Fall der abwesende Herr von Rosberg – ihnen bot. Marcus unterdrückte den letzten rebellischen Gedanken.
„Er lebt auf großem Fuße“, konstatierte Pater Bonifatius schneidend. „Das Böse versteht es, bequem zu leben.“
Marcus widersprach nicht, wenn er auch dachte, dass es Sünde bei Armen wie bei Reichen geben mochte. Er sagte überhaupt nicht mehr viel. Er packte die schweren Bücher zusammen und lud sie in den Wagen. Gott schenkte jenen Wissen, die es verdienten. Für die Unwürdigen mochte Wissen doch nur gefährlich und Weisheit ohnehin nicht zu erreichen sein.
„Sind Sie ganz sicher, dass Sie diese Bücher …?“, fragte die Haushälterin. Ganz offensichtlich brachte sie es nicht über sich, eine Gruppe frommer Männer des Diebstahls zu bezichtigen.
„Machen Sie sich keine Gedanken, gute Frau“, sagte Anselm. Seine Herablassung beruhigte sie, als ob sie schon lange akzeptiert hätte, dass diese Welt sich in jene teilte, die Befehle gaben, und in andere, die sie auszuführen hatten. Damit hatte sie freilich recht. Gehorsam war eine Kardinaltugend.
„Herr von Rosberg wird sehr froh darüber sein, dass diese Bände jetzt untersucht werden. Es ist nur zu seinem Vorteil“, fuhr Bruder Anselm fort. Er glaubte vermutlich fest an die Richtigkeit dieser Aussage. Jedenfalls beruhigte es die Frau.
Diese unumstößliche Sicherheit war etwas, um das Marcus ihn beneidete. Er war sich zurzeit sehr weniger Dinge wirklich sicher.
Er hatte keine Ahnung, welche Richtung er jetzt einschlagen sollte, und meinte zu spüren, dass seine Brüder es auch nicht wussten. Doch Bruder Anselm wollte unbedingt weg. Irgendetwas sagte ihm, dass sie jetzt fahren sollten, noch bevor sie jeden Winkel des Hexenmeisteranwesens durchkämmt hatten. Er war schon zufrieden mit dem, was sie gefunden hatten, und wollte gar nicht mehr. Das konnte natürlich bedeuten, dass es hier auch nichts mehr zu finden gab, selbst wenn sie weitersuchten.
Nun mochte Bruder Anselm sich täuschen, aber Marcus wusste, dass er diesen plötzlichen Gedanken besser für sich behielt.
Bruder Anselm hielt auf halbem Weg zur Kutsche plötzlich inne und fiel beinahe hin. Pater Bonifatius erwischte ihn gerade noch am Arm und fing gleichzeitig an, auf Marcus zu schimpfen, weil er seinem Bruder nicht geholfen hatte. Marcus entschuldigte sich.
„Nach Osten!“, sagte der Magier, nachdem er sich wieder gefangen hatte. Er hatte eine Eingebung gehabt. Marcus nahm es, wie es kam. Meister des Arkanen fühlten nun einmal bisweilen irgendwelche Dinge. Sie waren gesegnet. Der gesegnete Bruder Anselm.
„Nach Osten?“, fragte Pater Bonifatius.
„Es ist nicht weit. Ostsüdost. Wir sind hier zu weit nördlich.“
„Und was werden wir dort finden?“
Bruder Anselms Miene wurde nachdenklich.
„Wer weiß?“, fragte er leicht dahin, als ob er klarstellen wollte, dass er es wusste, alle anderen aber nur auf ihn vertrauen mussten.
„Sie wissen es. Es zu wissen ist Ihre Aufgabe. Und jetzt sagen Sie es uns endlich! Oder wir gehen zurück ins Haus und meditieren in gemeinsamem Gebet über die Sünde der Hoffart.“
Anselm lächelte nur. Es war kein schönes Lächeln.
„Dazu wäre jetzt wirklich der falsche Zeitpunkt, Pater. Es braut sich etwas zusammen. Die Energielinien vibrieren fast vor Spannung. Ich spüre, dass dieser Verbrecher sich nähert, den ich auf die Suche nach dem Mädchen geschickt habe. Eine Zeit lang dachte ich, ich hätte ihn verloren. Vielleicht hat er das Mädchen gefunden?“
„Vielleicht auch nicht.“
„Wie auch immer. Wir sollten uns sputen, dass wir zu ihm kommen. Irgendetwas geschieht. Er ist Teil davon. Wir sollten auch dabei sein.“
Das klang recht kryptisch, doch Bruder Anselm genoss es, genau das zu sein. Vielleicht ahnte er ja mehr. Aber solange er keine Fakten hatte, zog er es vor, alle anderen im Dunkeln zu lassen. Begreiflich. Wenn man mit jemandem wie Pater Bonifatius unterwegs war, der ebenso spitzfindig wie unversöhnlich war, tat man gut daran, nichts allzu Genaues zu behaupten, um hinterher nicht vorgeworfen zu bekommen, man hätte gefehlt. Freilich genoss es Anselm auch,
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