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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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ich passe auf dich auf. Wovor solltest du also Angst haben?“
    Sie dachte eine Weile darüber nach.
    „Na gut“, sagte sie schließlich. „Aber ich habe Hunger.“
    Er seufzte.
    „Das ist durchaus glaubhafter.“
    „Und ich werde nicht das essen, was die essen!“, betonte sie trotzig und deutete mit dem Blick auf die Raben.
    Er zuckte mit den Schultern.
    „Du könntest es durchaus, weißt du. Du und sie – ihr seid nicht so unterschiedlich.“
    „Ich bin kein Aasfresser.“
    „Das, mein Kind, hat weitaus mehr mit deiner Erziehung zu tun als mit deiner Veranlagung.“
    Da war sie wieder, diese Andeutung einer Möglichkeit, über die sie nicht nachdenken wollte. Sie schob sie von sich und weinte fast.
    „Nicht weinen, meine Kleine!“, sagte er ein wenig unsicher.
    „Warum nicht? Finden Sie nicht, ich hätte guten Grund dazu?“
    „Du bist undankbar.“
    „Vielleicht bin ich das. Aber mein Leben war bis jetzt immer ganz anders. Ich war nie allein.“
    „Du bist auch jetzt nicht allein.“
    Das war ja das Problem. Die Gesellschaft, in der sie sich befand, war nicht dazu angetan, sie in Sicherheit zu wiegen.
    „Fräulein Vanholst …“
    Er setzte sich so schnell auf, dass sie fast vor Schreck losschrie.
    „Schon gut, mein Mädchen. Ich besorge dir etwas zu essen. Etwas, das du auch essen magst.“
    „Und es ist dann kein – Aas?“
    „Ich werde dir etwas holen – aus den Häusern der Menschen. Es wird etwas sein, das du essen kannst.“
    „Diese Häuser der Menschen – sind sie in der Nähe?“
    Sein Lachen klang freudlos.
    „Nein, mein Kind. Sie sind recht weit weg. Zu weit weg für ein hübsches, junges Mädchen, das im Hemd unterwegs ist. Du würdest Leute treffen, die … du nicht gern träfest. Also bleib hier.“
    „Kann ich nicht mitkommen?“
    „Kannst du fliegen?“
    „Nein, kann ich nicht.“
    „Hast du es je versucht?“
    Einmal. Fräulein Vanholst hatte sie auf dem Dach gefunden, kurz davor zu springen. Clarissa erinnerte sich an lautes Schimpfen und dann an ein jähes Zurückreißen. „Was um Himmels willen machst du da?“, hatte die Hauslehrerin sie angeschrien. „Ich weiß es nicht“, hatte sie geantwortet. „Fliegen. Ich wollte wohl fliegen.“
    Fräulein Vanholst hatte sie zurück durch das Dachfenster gezerrt. Die Lehrerin hatte sich noch im Fallen so weit umgedreht, dass Clarissa auf sie fallen und sich nicht wehtun würde. Sie hatte bitterlich geweint, als sie sah, dass ihre Lehrerin heftig aus einer Kopfwunde blutete. „Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid …“, hatte Clarissa immer wieder wiederholt. „Tu das nie wieder!“, hatte ihre Lehrerin geschimpft. „Menschen können nicht fliegen. Du! Kannst! Nicht! Fliegen!“
    Clarissa hatte ihr Wort gegeben. Ihr wurde mit einem Mal klar, wie nah sie an jenem Tag dem Tod gekommen war.
    „Nicht so richtig. Einmal wollte ich … aber das war dumm. Fräulein Vanholst hat mich versprechen lassen, dass ich es nicht noch einmal versuche.“
    Er kicherte.
    „Das sieht ihr ähnlich.“
    „Nun, sie dachte, der Versuch würde mich umbringen.“
    „Und sie wollte nicht, dass du stirbst.“
    „Sie liebt mich.“
    Schweigen.
    „Das hast du schon mal gesagt“, meinte ihr Gefährte nun trocken. Vielleicht wusste er ja nicht, was Liebe war?
    „Sie liebt mich wirklich!“ Clarissa überlegte, ob sie dem Mann erzählen sollte, dass die gesamte Liebe ihrer Mutter auf ihre Lehrerin übergegangen war. Doch er würde es vielleicht nicht verstehen. „Sie hat sich verletzt bei dem Versuch, mich zu retten.“
    „Darin ist sie offenbar unschlagbar.“ Es klang nicht so, als bedauerte der Mann sie besonders.
    „Ich komme eben manchmal in dumme Situationen.“
    „Wir werden uns Mühe geben, dich unbeschadet durch diese hier zu leiten.“
    „Sie werden mich retten?“
    „Das habe ich doch schon.“
    „Und Sie werden mich weiterhin retten?“
    „Du bist ein wirklich anstrengendes Kind.“
    „Und Fräulein Vanholst?“
    „Sie ist eine sehr tapfere Dame. Sie wird viel besser allein zurechtkommen.“
    „Aber Sie könnten ihr doch helfen!“
    Die schattigen Züge des Mannes verzogen sich zu einem etwas giftigen Lächeln.
    „Mein liebes Kind, ich habe sie ausgesucht, damit sie mir hilft. Und nicht umgekehrt.“
    Clarissa zitterte.
    „Sie wollen sie sterben lassen!“, wusste sie mit einem Mal und dachte an die dunklen Schemen in jenem Hof. „Sie liebt mich, und sie wollen sie sterben lassen.“
    „Nicht bevor sie

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