Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
die Pistole in der Hand. Der wartete nicht lange, sondern schoss sofort.
Die Zeit blieb stehen. In Konstanzes Wahrnehmung schienen alle Ereignisse gleichzeitig abzulaufen. Der riesige Wolf flog in einem Bogen gegen den Mönch. Die Pistole gab einen winzigen Blitz und eine Pulverwolke von sich, und die Kugel, das wusste sie mit einem Mal, war schon auf dem Weg, sie ins Herz zu treffen.
Kapitel 35
N atürlich war alles wieder falsch gelaufen. Bruder Marcus hatte die Frau allein gelassen, um herauszufinden, was geschehen war. Selbst von draußen konnte er sehen, dass das Fenster explodiert war. Der Rauch war noch nicht verflogen, und sein scharfer Geruch verriet, dass der Angriff chemisch gewesen war und nicht magisch. Das verdammte Weib hatte eine Sprengladung gelegt.
Er rannte um die Ecke zur Tür und sah, wie gleichzeitig eine riesige Gestalt aus dem zerstörten Fenster hüpfte.
Es war schwierig, jetzt die richtige Entscheidung zu treffen. Der Bestie folgen oder nach den Brüdern sehen?
Er entschied, dass seine Brüder und deren Wohlergehen die höhere Priorität hatten, und sprang über die Schwelle in das dunkle Bauernhaus.
In dem leeren Raum lagen Bruchstücke des geborstenen Fensters überall auf dem Boden. Der obere Teil der Wand sah etwas lädiert aus.
Letzteres galt auch für seine Brüder.
„Sind Sie verletzt?“, rief er, während er noch in den Raum lief.
Bruder Anselm rappelte sich gerade vom Boden hoch. Blut lief ihm aus ein paar Kratzern. Er erstarrte mitten in der Bewegung, sagte nichts. Sein Gesichtsausdruck war unnahbar und so leer, als könne er sich nicht entscheiden, was eigentlich geschehen war.
Hochwürden Bonifatius saß auf dem Boden. Auch er hatte Kratzer im Gesicht. Dazu stand ihm auch die Wut ins Gesicht geschrieben.
„Wer war das?“, flüsterte er.
„Die Hexe“, erwiderte Marcus. „Ich habe sie im Schuppen erwischt. Sie muss wohl …“
„Schießpulver!“, knurrte der Priester. „Der Herr sei gepriesen, dass wir noch leben.“
„Lobpreiset den Herrn!“, gab Marcus zurück und wartete geduldig darauf, dass das alles gleich zu seiner Schuld erklärt würde.
„Haben Sie das denn nicht gesehen?“
„Nein, Hochwürden. Ich bin zum Schuppen gelaufen, weil ich sie da vermutet habe. Ich habe sie aufgespürt und festgesetzt.“ Dass sie die Finger in den Ohren stecken hatte, fügte er nicht hinzu. Es würde nur dazu führen, dass man meinte, er hätte das kommen sehen müssen.
„Sie müssen doch direkt an dem Sprengsatz vorbeigelaufen sein. Haben Sie denn nichts gesehen?“
„Nein, Hochwürden.“ Schließlich hatte ihm keiner gesagt, was genau die Gefahr war. Es war Bruder Anselms Aufgabe, mögliche Gefahren zu sondieren. Es war Marcus’ Aufgabe, sie dann aus der Welt zu schaffen.
„Sehr nachlässig. Wir könnten alle tot sein.“
Unwahrscheinlich. Wenn ein paar Kratzer ihre einzigen Verletzungen waren, dann war die Bombe nicht sehr gefährlich gewesen. Und der Fensterrahmen war alt und brüchig, sonst wäre er vielleicht gar nicht zersplittert.
„Dem Herrn sei Dank für Ihre Errettung!“
„Ihnen gebührt der Dank jedenfalls nicht. Sie sind und bleiben eine Enttäuschung. Jeden Tag aufs Neue, Bruder Marcus.“
„Es tut mir aufrichtig leid.“
„Reue ist ein erster Schritt. Buße ist die unerlässliche Folge.“
Marcus half Pater Bonifatius vorsichtig vom Boden hoch.
„Amen. Ich hole das Verbandszeug.“
„Und das Untier lassen Sie entkommen?“
„Aber Sie brauchen Hilfe!“
„Was wir brauchen, ist diese Bestie. – Worauf warten Sie noch?“
Es hatte keinen Sinn anzuführen, dass das Tier inzwischen vermutlich über alle Berge war. Marcus blickte widerwillig zu Bruder Anselm, der sich sein Gesicht mit dem Taschentuch abwischte.
„Ist noch in der Nähe“, sagte der nur. Er machte keine Anstalten, mitzukommen und zu helfen. Stattdessen kramte er in seiner Reisetasche nach einem Spiegel. Vermutlich hatte er Splitter unter der Haut, freute sich Marcus. Dann unterband er die Freude. Er würde sie bei nächster Gelegenheit beichten müssen.
„Reichen Sie mir den Spiegel!“, befahl Hochwürden Bonifatius, und diesmal hatte Marcus seine Gedanken unter Kon-trolle. „Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt“, wiederholte er im Geiste wieder und wieder. Seine Schuld sollte nicht noch größer werden dadurch, dass er sich der Schadenfreude hingab.
Er ergriff die Pistole und rannte hinaus. Seine Brüder im Herrn würden wütend sein, wenn er
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