Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
tatsächlich die Bestie erschoss, bevor man dieser ihre teuflischen Pläne entlockt hatte. Doch im Grunde glaubte er nicht einmal daran, dass das Tier ohne magische Hilfe zu stoppen war. Und die magische Hilfe war mit ein paar Kratzern im Gesicht beschäftigt.
Wie hatte sich das Weib der Hilfe dieser Bestie versichert? Oder war es umgekehrt?
Nun, sie waren beides Hexen, also hatten sie vermutlich schon vorher in Kontakt gestanden. Das erklärte auch, warum die Frau überhaupt diese Route genommen hatte. Und es bewies schlussendlich, dass mit dem Mädchen tatsächlich etwas nicht stimmte.
Nicht dass er es bezweifelt hätte. Hochwürden Bonifatius war sich von Anfang an sicher gewesen, dass es sich um teuflische Umtriebe handelte. Doch war er sich dessen freilich immer sicher.
Was wollten zwei Hexen mit einem besessenen Kind? War das Mädchen vielleicht ein Dämon? Oder ein Opfer, das es zu erretten galt?
Es machte keinen Unterschied. Er musste zunächst die Bestie fangen. Und so er das nicht konnte – und sein Versagen war nur allzu wahrscheinlich –, musste er die Frau holen. Sie würden sie zum Sprechen bringen. Sie hatten die Mittel, die Wege und die nötigen Gerätschaften.
Er bog um die Ecke des Schuppens, und alles änderte sich schlagartig. Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, warum die Frau nicht mehr gefesselt am Boden lag. Die Bestie sprang auf ihn los.
Er schoss.
Er wusste, dass er nicht getroffen hatte, als das Tier ihn im gleichen Moment umwarf. Schwarzgeränderte, silberblaue Augen starrten zornig in die seinen und sahen dann voller Entsetzen in die andere Richtung. Anstatt Marcus die Kehle herauszureißen , erzitterte das Ungeheuer einen Augenblick lang.
Marcus versuchte zu begreifen, was er sah. Was war geschehen? Er hatte geschossen. Er hatte das Biest verfehlt. Die Kugel hatte sich ein neues Ziel gesucht.
Sie hatte nicht einmal geschrien.
Dann hörte er Bruder Anselms Schritte nahen. Der weiße Magier hatte bereits bewiesen, dass er jederzeit mit der Bestie fertigwerden konnte.
Der Wolf schien das auch zu denken, denn er wirbelte herum und rannte zum Hinterausgang des Schuppens.
„Wo ist das Tier?“, fragte Anselm.
„Weggerannt“, antwortete Marcus, während er sich hochrappelte.
„Und die Frau?“
„Nun …“
„Nun was? Sie haben gesagt, Sie hätten sie erwischt.“
„Ich habe sie erwischt. Doch sie … sie steht für eine Befragung nicht mehr zur Verfügung.“
Kapitel 36
V om Pferd zu fallen war mehr als nur schmerzhaft. Es war peinlich. Ian versuchte, sich vom Boden hochzurappeln, und stellte fest, dass er zu sehr zitterte, um das einigermaßen nonchalant zu bewerkstelligen.
Sutton zügelte sein Pferd und sah besorgt auf ihn herunter.
„Haben Sie sich verletzt?“, fragte er.
Ian streckte vorsichtig seine Gliedmaßen aus und testete seine Knochen.
„Ich glaube, es ist alles in Ordnung“, sagte er unsicher.
„Was ist passiert?“
„Weiß nicht. Hat es eben geblitzt?“
„Kein Blitzen, kein Wetterleuchten. Aber eine Erschütterung habe ich gespürt“, sagte Sutton. „Die Grenzen der Realität sind hier nicht eben dicht.“
Ian, der immer noch auf dem Boden saß, nickte.
„Ich wünschte, ich könnte es erklären“, sagte er. „Ich habe etwas gefühlt. So etwas wie Gewitter.“
„Die Energiematrix hat kurz gebebt. Sie ist nicht so statisch, wie wir gerne meinen. Erinnern Sie sich denn nicht, was vor einem halben Jahr los war?“
Im zurückliegenden Frühling hatte die Matrix bisweilen plötzliche Hochenergien erzeugt. Das Problem hatte die Loge beschäftigt. Doch es war jetzt vorbei. Ian wusste, warum es vorbei war. Sutton hatte eine etwas unscharfe Erinnerung daran, was geschehen war. Und die Loge musste sich mit dem Wissen begnügen, dass alle Logenbrüder überlebt hatten und dass Ian und Sutton möglicherweise etwas damit zu tun hatten.
„Es war diesmal ganz anders“, sagte Ian, ohne den Unterschied zu erklären.
„Und wie war es diesmal?“
„Verdammt will ich sein, wenn ich …“
„Verdammen Sie sich nicht selbst, McMullen. Sammeln Sie lieber Ihre Gedanken und analysieren Sie, was Sie so umgeworfen hat – direkt vom Pferd hinunter. Vergessen Sie Ihren Hut nicht.“
„Danke.“
Ian brauchte eine Pause. Er hatte schmerzlich erfahren, dass Sutton, obgleich er mindestens fünfzehn Jahre älter war, offenbar um einiges zäher war. Er konnte einfach immer weitermachen. Gelegentliche Regengüsse schienen nur so von ihm
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