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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Zügel des verängstigten Rosses hielt. „Damit ist sie mein.“
    „Sie können sie nicht behalten. Sie gehört Ihnen nicht.“
    Seltsamerweise fing der Mann an zu lachen.
    „Nicht?“, fragte er. „Oh doch. Schon immer.“
    Ian starrte hinunter zu der dunklen Gestalt, versuchte, deren Augen zu sehen, und als er auf ihren Blick traf, versuchte er rasch, woanders hinzuschauen, denn sie waren wie endlos tiefe Sumpflöcher. Er konnte den verlorenen Teil von Karregs Seele spüren, der vielleicht einmal Fey gewesen war. Dieser Teil reagierte auf … nun … auf den verlorenen Teil der anderen Seele, der vielleicht einmal menschlich gewesen war.
    „Sie werden ihr besser nichts tun!“, sagte Ian. Es war eine vielschichtige Aussage, die den Wunsch beschrieb, es möge so sein, aber auch die Drohung mitschwingen ließ, es sollte nicht so sein.
    „Bitte“, fuhr er fort. „Sie ist doch nur ein Mädchen und hat gewiss Angst. Sie ist es nicht gewohnt, in einem … Horst zu leben.“ Oder Eier zu legen. Oder was auch immer. Ian wollte nicht näher über die Implikationen nachgrübeln.
    Der Mann brach in ein keckerndes Gelächter aus.
    „Dann seid ihr nicht ihre Feinde?“, schloss er.
    „Sie hat mehr als genug Feinde“, gab Ian zurück. „Ich gehöre nicht dazu. Wir sind Freunde.“
    Die Kreatur nickte bedächtig.
    „Wir haben alle mehr als genug Feinde“, sagte sie. „Es ist nicht leicht, sie zu erkennen. Sie zu zerstören braucht Zeit. Bisweilen – ist das jedoch auch sehr einfach.“
    Ein Schwarm obsidianschwarzer Vögel erhob sich laut flügelschlagend und flog steil in den Himmel. Irgendetwas schien zu zerreißen, eine Membran zwischen dem Hier und dem Anderswo, die zu zerbrechlich war, um zu halten. Splitter der Realität fielen wie Glasscherben herunter und verschwanden.
    „Verdammt noch eins!“, fluchte Sutton. Es war sein Abwehrschirm gewesen. Er war nicht stark genug gewesen, um Dinge draußen oder drinnen festzuhalten. Sutton saß zusammengebeugt auf seinem Ross und hielt sich sein Taschentuch an die blutende Nase.
    „Er scheint gar nicht so stark zu sein – bis man versucht, ihn aufzuhalten“, beschwerte er sich. Ian nickte.
    „Er ist eine Naturgewalt – zumindest zum Teil“, meinte er unsicher.
    „Einen Augenblick lang habe ich geglaubt, er sei nur ein Mensch.“
    „Einen Augenblick lang habe ich geglaubt, er sei ein Feyon.“
    Die beiden Männer sahen einander an. „Was war er denn wirklich?“, fragte Ian.
    „Na, wenn Sie es nicht wissen, ich weiß es auch nicht.“

Kapitel 37

    S ie flog. Rückwärts . Die Wand, die eben noch in Konstanzes Rücken gewesen war, war verschwunden, und sie glitt dahin. Kopfüber, kopfunter trudelte sie durch die nebulöse Unwirklichkeit wie trockenes Gestrüpp. Ihr Schrei durchschnitt die Welt, während sie noch versuchte, sich darauf vorzubereiten, dass sie jetzt starb.
    Sie wusste, es war nicht möglich, aber sie hatte die Kugel tatsächlich auf sich zufliegen sehen, als ihre Wahrnehmung so schnell wurde wie der Flug des Geschosses. Wenn sie nur ihre Gliedmaßen hätte bewegen können, so hätte sie sogar ausweichen können. Doch sie hatte nur dagesessen und dem Tod ins Auge gesehen.
    Ein schiefes Lächeln war auf sie zugekommen. Schrumpelige Lippen über einem fast zahnlosen Mund. Wenn ihre Gedanken nicht so sehr aufs Sterben fixiert gewesen wären, vielleicht hätte sie die Züge ja erkannt. Das unscharfe Bild der alten Frau mochte nur ein Aspekt des Todes sein, und doch hatte sie dieses Gesicht gesehen. Irgendwo. Irgendwann.
    „Warum ist der Tod ein Mann?“, hatte Clarissa einmal gefragt, weil ihr das nicht einleuchtete. Hatte sie recht? Etwas berührte Konstanzes Herz. Eine Kugel? Ein Fingerzeig des Todes?
    Es tat weh, auf der Erde aufzuschlagen. Konstanze rollte um und um über den Boden. Ihr Blut musste ihn bereits gefärbt haben, denn er war seltsam rot. Sie versuchte, sich festzuhalten, sich zu konzentrieren. Wenn man schon starb, sollte man es gefasst und mit Anstand tun. Ein Gebet wäre jetzt angemessen.
    „Lieber Gott“, murmelte sie, war aber außerstande, in ihrem verwirrten Zustand die richtigen Worte zu finden. Als brave Protestantin sollte sie schon wissen, wie man korrekt seinem Schöpfer gegenübertrat. – Wie würde es sein? Würden ihre guten Absichten ihre Schuld mildern? Oder würde ihr Versagen das Maß sein, nach dem sie gerichtet wurde?
    „Oh nein! Bitte, bitte nicht!“, schrie sie panisch auf. Die Welt wirbelte um sie.

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