Schwingen der Lust
Jahrtausenden durch den Taghimmel fliegen kannst, ohne befürchten zu müssen, verfolgt und gejagt zu werden“, vermutete sie verständnisvoll.
„Oh ja, das auch“, sagte er und drückte sie ein wenig fester an sich. „Aber vor allem, weil ich deinetwegen hier oben nicht mehr einsam bin. Nicht mehr allein. Und das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit bin ich nicht mehr Wächter , nicht mehr Erzfeind und auch kein Gott mehr oder Teufel. Ich bin einfach nur ich. Der Mann, der dich liebt und von dir geliebt wird.“
Bei seinen Worten begann das ohnehin schon springende Herz in Maggies Brust zu tanzen vor Freude - aber es tat zugleich auch ein klein wenig weh vor Mitgefühl dafür, wie einsam all die Jahrhunderte und Jahrtausende für ihn gewesen sein mussten.
Verdammt und gnadenlos gejagt von seiner eigenen Familie.
So mächtig, die Geschichte für alle Zeiten zu ändern und sogar die Welt zu retten - und die Menschheit - und doch nicht mächtig genug, ein einfaches Leben in Frieden zu führen mit jemandem, den man wirklich liebt.
„Danke“, flüsterte sie, und nun waren auch ihre Augen ganz feucht, als sie ihn küsste. „Ich danke dir so sehr.“ Dabei wurde ihr Herz noch ein wenig schwerer, und sie sprach seufzend aus, was sie dachte ... und vor allem fühlte.
„Ich wünschte, ich könnte immer für dich da sein.“ Ja, das wünschte sie wirklich. Es graute ihr nicht vor der eigenen Sterblichkeit, es graute ihr davor, ihn nach ihrem allzu kurzen Menschenleben wieder einsam und allein zurückzulassen.
Er lachte auf - und das irritierte sie. Was gab es da zu lachen? Sie runzelte die Stirn und schaute ihn an. Doch in seinen Augen war weder Spott noch Ironie. Auch Zynismus konnte sie keinen lesen. Nur ehrliche Freude.
„Wieso lachst du?“, fragte sie.
„Wünschst du dir das wirklich?“
„Dass ich für immer für dich da sein könnte?“
„Ja.“
„Mehr als alles andere auf der Welt.“
„Könntest du dir ein ewiges Leben überhaupt vorstellen?“
„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“, gab sie zu. „Aber du warst es doch, der mich jetzt schon mehr als einmal dazu aufgefordert hat, die Dinge nicht infrage zu stellen, sondern auf meine Gefühle zu hören und ihnen zu vertrauen.“
„Ja“, sagte er. „Denn auch wenn es vielleicht paradox klingen mag, aber Gefühle trügen einen sehr viel seltener, als es der Verstand vermag.“
„Dann lautet die Antwort erst recht ja“, sagte sie voller Überzeugung. „Ja, ich könnte mir ein ewiges Leben vorstellen - an deiner Seite. Aber lass uns jetzt bitte nicht weiter darüber reden, weil es mir sonst das Herz bricht, dass es nicht sein kann, also auch niemals sein wird.“
„Aber es kann sein“, sagte er unvermittelt, und sie verstand nicht, was er damit sagen wollte. Entsprechend verwirrt und auch vorwurfsvoll schaute sie ihn an.
„Du kannst ewig leben, Magdalena“, fügte er hinzu, weil er merkte, dass sie ihm gerade nicht folgen konnte. Vor Verblüffung blieb ihr der Mund offen stehen.
„Wie meinst du das?“
„So wie ich es sage.“ Er lachte schon wieder. „Es besteht die Möglichkeit, dich unsterblich zu machen.“
Es gab eine Möglichkeit, sie unsterblich zu machen?
Zahllose Gedanken stürmten auf Maggie ein und überschlugen sich. Also folgte sie ihrem eigenen Rat ... und somit ihren Gefühlen.
„Das wäre wundervoll“, sagte sie. „Aber wie?“
„Erinnerst du dich an Henoch?“, fragte er.
„Der das Buch der Wächter verfasst hat?“ Sie grollte bei dem Gedanken, wie verfälscht der uralte Text die Ereignisse von damals wiedergegeben hatte.
„Genau der“, antwortete Axel. „Auch er war ein Mensch und wurde damals unsterblich gemacht. Die Elohim können das. Und es gibt unter ihnen durchaus den einen oder die andere, die mir noch einen Gefallen schuldet.“
Maggie war sprachlos. Schließlich bekommt man ja auch nicht jeden Tag von einem Gefallenen Engel so mir nichts dir nichts die Unsterblichkeit angeboten.
Natürlich hätte sie gerne spontan Ja gesagt. Sie hatte eben nicht gelogen, als sie behauptet hatte, dass sie nichts auf der Welt mehr wollen würde, als die Ewigkeit an seiner Seite zu erleben. Seiner Einsamkeit für immer ein Ende zu bereiten. Doch da war ein Gedanke, den sie nicht so einfach durch ihre Gefühle zum Schweigen bringen konnte.
Axel sah es ihrem Gesicht an. „Was ist?“, fragte er. „Was bereitet dir Sorgen?“
„Azra’El“, antwortete sie. „Der Abaddon.“
„Was
Weitere Kostenlose Bücher