Schwingen der Lust
Unverhohlene Mordlust.
Trotz ihrer rauen Kehle stieß Maggie einen verzweifelten Schrei der Hilflosigkeit aus. Tränen rannen ihr heiß über die dreckverkrusteten Wangen.
„T’Azar!“, schrie sie. „Tazz, hör auf!“
Doch T’Azar hörte nicht auf. Er war in Rage.
„TAZZ!“ Maggies Stimme kippte vor Verzweiflung und Panik. „HÖR AUF!“
Diesmal hielt T’Azar tatsächlich inne. Er hatte Axel am Hals gepackt, und der hing jetzt völlig kraftlos an der hinter ihm geborstenen Wand. Sein Gesicht war blutig und geschwollen von den harten Treffern. Nachdem T’Azar sich sicher war, dass Axel für den Moment unfähig war, sich zu wehren, schaute er zu Maggie hinunter.
„Du willst, dass ich aufhöre?“, fragte er.
„Ja“, rief Maggie nach oben.
T’Azar überlegte einen Moment. Maggie sah ihm an, dass er sich zusammenreißen musste, sein blutiges Werk nicht sofort zu vollenden. Dann aber sagte er: „Du kennst den Preis, Abgal.“
„Ja, den kenne ich.“
„Und bist du endlich auch bereit, ihn zu zahlen?“
„Das kannst du nicht tun“, raunte Sybaris schnell, ehe Maggie antworten konnte.
„Genauso wenig kann ich zulassen, dass er Axel tötet“, gab Maggie zurück. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Sybaris hatte recht; sie konnte unmöglich der Vernichtung der Menschheit zustimmen, nur damit Axel überlebte. Wieder musste sie an Lydia denken ... an ihr ungeborenes Kind.
Aber wenn sie es nicht tat ...
„Ich zähle bis drei“, rief T’Azar drängend, der zu erkennen schien, dass sie hin und her gerissen war. „Danach, das schwöre ich, töte ich ihn. Und dann bekomme ich von dir auch so, was ich will, ob du es mir nun freiwillig gibst oder nicht.“
Maggie zögerte. Ihr Herz drohte zu zerreißen. Um ihren Geliebten zu retten, musste sie sich dazu einverstanden erklären, dabei zu helfen, die Menschheit zu vernichten. Ihre Freunde, ihre Mutter. Wer vor ihr hatte jemals vor einer so grausamen Wahl gestanden?
„Eins“, begann T’Azar mit einer Langsamkeit, die verriet, dass er es genoss, sie zu quälen.
„Zwei.“ Er holte mit der freien Faust aus.
„Drei“, endete er.
Maggie senkte den Kopf. Sie konnte es nicht tun. Nicht nur wegen der Menschheit, auch nicht nur wegen Lydia und ihrem Kind, sondern auch weil es ein Verrat an Axel gewesen wäre. Er war bereit dafür zu sterben. Welches Recht hatte sie, dieses Opfer mit Füßen zu treten? Keines.
Noch einmal schaute sie nach oben, in der Hoffnung, einen letzten Blick Axels zu erhaschen, bevor er starb, damit er in ihren Augen lesen konnte, wie sehr sie ihn liebte und wieso sie tun musste, was sie tat. Sie betete, dass er sie verstehen würde. Und danach, wenn es vorüber war, würde auch sie ihrem Leben ein Ende bereiten, um T’Azar die Möglichkeit zu nehmen, mit ihrer Hilfe Azra’El zu erwecken. Axel ... Azazel hatte recht: Man hat immer eine Wahl!
Tatsächlich öffnete Axel nun seine geschwollenen Augen einen Spalt weit. Der Glanz in ihnen war verschwunden. Doch er lächelte ihr zu. Schwach. Gebrochen.
„So sei es!“, rief T’Azar und schlug zu ...
Doch seine Faust erreichte nie ihr Ziel.
Sie wurde mitten in der Bahn von einer Pranke gestoppt.
Von der schwarzen Pranke eines Löwen.
Azazel brüllte auf, und das Gebirge erzitterte unter der Gewalt seines Kampfschreis. Er hatte sich im Bruchteil einer Sekunde in seine Tierform verwandelt - schwarzes Löwenhaupt mit fingerlangen Reißzähnen und glänzende Widderhörner. Seine Pranke packte zu, und T’Azars Finger in den Schlagringen brachen wie trockenes Holz. T’Azar schrie schmerzerfüllt auf und versuchte strampelnd und tretend, sich dem mörderischen Griff zu entwinden.
Azazels andere Pranke schlug zu, traf T’Azar mitten ins Gesicht. Blut spritzte.
Auch T’Azar verwandelte sich. Doch die zwei Sekunden Vorsprung verschafften Azazel die Oberhand. Noch ehe T’Azar zu Ende verwandelt war, hatten ihn zwei weitere Prankenhiebe getroffen - und nun war er derjenige, der gegen die Felswand geprügelt wurde.
Mit einer schrecklichen Wut, die noch sehr viel größer war als jene vorhin, hieb Azazel auf Ba’Al’T’Azar ein. Der Pantherkopf wurde von den Löwenpranken hin und her geschleudert wie ein Spielball ... und knallte dabei immer wieder hart gegen den Felsen. Eines von T’Azars Hörnern brach unter der Wucht ab und fiel mit dem bröckelnden Gestein in die Tiefe.
Azazels Brüllen war ohrenbetäubend.
Sybaris’ Wölfe kniffen die Schwänze ein und
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