Schwingen der Lust
später geben.“ Virginia stand plötzlich direkt neben ihnen. Maggie hatte sie nicht kommen gehört und war entsprechend erschrocken.
Das makellos schöne Gesicht der großen Blondine war von Trauer erfüllt und voller Mitgefühl.
„Virginia“, sagte Axel tadelnd und löste sich von Maggie. Doch ehe er weitersprechen konnte, sagte sie: „Du weißt, dass ich recht habe. Und du weißt auch, dass ich wollte, es wäre anders. Er ist auf dem Weg hierher, und wenn er sie findet...“
„Genug!“, schnitt Axel ihr das Wort mit barscher Stimme und einer knappen Geste ab. „Hier kann er sie nicht finden. Er hat ihre Witterung noch nicht aufgenommen.“
„Das ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagte Virginia flehend. „Und ich fürchte, wir reden hier eher von Stunden als von Tagen.“
„Wovon sprecht ihr?“, verlangte Maggie zu wissen. „Wer ist ,er‘? Was geht hier vor?“
Axels Gesicht verfinsterte sich.
Virginias Augen füllten sich mit Tränen. „Ich habe dir immer treu und gehorsam gedient, mein Gebieter. Das weißt du. Aber wenn du es ihr nicht jetzt sofort sagst, lässt du mir keine andere Wahl. Dann werde ich es ihr sagen müssen.“
„Das würdest du tun?“ Er schien völlig entgeistert.
„Weil ich dich liebe“, sagte sie und nickte. „Aus keinem anderen Grund.“
„Ich frage nur noch einmal: Was geht hier vor?“ Maggies Verwirrung schlug in Wut um. Wo war sie hier hineingeraten? Ein unruhiges Gefühl beschlich sie.
In welchem Verhältnis standen Axel und Virginia zueinander?
Wieso war sie so verzweifelt und er so niedergeschlagen?
Und was konnte so schlimm sein, dass es danach kein später mehr geben würde?
„Also gut“, sagte Axel und trat drei Schritte zurück. „Sieh her.“
Etwas veränderte sich, ohne dass Maggie hätte sagen können, was genau. Es war als würde ein Teil ihrer Wahrnehmung Axels verschwimmen. Aber das Endresultat der Veränderung war deutlich sichtbar: Axel hatte plötzlich Flügel. Gewaltige Flügel. Schwingen, die über seinen beiden Schultern weit über den Kopf nach oben ragten und am unteren Ende fast bis zum Boden herabreichten.
Es waren schwarze Flügel!
Maggie schreckte zurück.
„D-d-du bist ...“, stotterte sie.
Er nickte. Seine Haare kamen ihr jetzt noch länger und lockiger vor, seine Augen noch strahlender. „Ja, ich bin ... Azazel.“
Ani’El erwachte mit einem dicken Kopf in der geräumigen Suite der Jacht in der Mitte eines großen runden Bettes. Um sie herum lagen fünf nackte Matrosen - tief schlafend. Sie schaute durch eines der Bullaugenfenster nach draußen und sah, dass die Sonne bereits untergegangen war. T’Azar musste sie und die Männer mit irgendetwas betäubt haben. Vermutlich mit dem Champagner.
Sie fluchte und richtete sich auf. Sie empfand keine Scham angesichts dessen, was sie getan hatte - oder vielmehr mit sich hatte tun lassen -, aber große Wut darüber, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass T’Azar das Di’Mai bei ihr anwenden würde.
Sie verließ die Suite und machte an der Reling einen Versuch, ihre Flügel zu materialisieren. Es funktionierte nicht. Zu viel von dem Betäubungsmittel war noch in ihrem fleischlichen System. Also begab sie sich zu Fuß auf die Suche nach T’Azar, obwohl sie ahnte, dass er schon längst nicht mehr hier war.
Die Männer, denen sie dabei auf den Decks begegnete, starrten sie unverhohlen und lüstern an, wagten jedoch nicht, sie anzusprechen. Sie hätte sich wohler gefühlt, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre, wenigstens Kleidung zu materialisieren oder ihre Brüder und Schwestern zu Hilfe zu rufen. Doch auch dazu war sie noch zu geschwächt.
Das Schwanken des Schiffes verstärkte das Brummen in ihrem Schädel und sorgte für zusätzliche Übelkeit, sodass sie sich am liebsten wieder hingelegt hätte. Aber sie wusste, dass es dadurch nur noch schlimmer werden würde. Und selbst falls nicht, sie konnte sich diese Schwäche jetzt nicht leisten.
Nach etwas mehr als zehn Minuten hatte sie sich vergewissert, dass T’Azar, wie sie befürchtet hatte, nicht mehr an Bord war.
Sie ging zur Brücke. Der Kapitän war ein grobschlächtiger Kerl Ende fünfzig.
„Welchen Kurs nehmen wir?“, fragte sie ihn.
„Ost“, antwortete er. „Auf die offene See hinaus.“
„Kehrt um und bringt mich nach New York“, befahl sie.
Er schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht machen“, stellte er klar. „Hab meine Befehle.“
Ani’El versuchte erst gar nicht, das Di’Mai
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