Schwingen der Lust
voller Stolz.
Maggie ging mit langsamen Schritten und voller Ehrfurcht hinein. Mehr noch als vorhin in der New York Public Library hatte sie das Gefühl, einen heiligen Raum zu betreten. Was für andere Leute Kirchen oder Tempel waren, waren Bibliotheken für Maggie. Und die hier mehr als jede andere zuvor.
Wie schon der Vergnügungspark nahm der Raum drei komplette Etagen des riesigen Hauses in Anspruch. Deckenhohe Regale aus poliertem Mahagoni, Bronze, Treppen, Galerien, Terrassen, Sitzgruppen aus Leder - ja sogar zwei kunstvoll fein beschnitzte Bogenbrücken, die auf halber Höhe in Kreuzform alle vier Wände miteinander verbanden. Dazwischen lebensgroße Statuen von Engeln, manche davon mit weit gespreizten Schwingen.
Und alles voller alter Bücher und Schriftrollen - in einigen Glasvitrinen sogar Tontafeln und auch welche aus Stein.
„Wirf den Schlüssel weg und hol mich in hundert Jahren wieder ab“, hauchte sie voller Begeisterung.
„Ich dachte, dass es dir hier gefällt“, sagte er mit einem Lächeln. „Hier findest du alles, was du jemals suchen könntest.“
Das erinnerte Maggie daran, warum sie heute eigentlich in erster Linie hierhergekommen war. „Auch Bücher über Dämonen und Teufelsanbetung?“
„Dämonen und Teufelsanbetung?“ Er stutzte. Doch dann entspannte er sich schnell wieder und tat, als ob gar nichts wäre. „Ziemlich sicher sogar. So wie auch Bücher über Kräuterkunde, Architektur, Dampfmaschinen und Malerei.“
Sie fixierte ihn mit einem ernsten Blick. „Wie steht es mit dem Buch der Wächter ?“
„Worauf willst du hinaus?“
Sie deutete auf seine Brust. „Erzähl mir von Azazel und warum du sein Zeichen auf dem Körper trägst.“
Er seufzte schwer. „Nach dem Essen. Immerhin gibt es etwas zu feiern, und das ist jetzt viel wichtiger.“
Doch sie blieb eisern.
„,Nach dem Essen‘ hast du gestern schon gesagt“, erwiderte sie. „Ich bekomme mehr und mehr das Gefühl, dass du mir ausweichst, Axel. Dass du etwas vor mir verbirgst.“
„Das tut mir leid“, sagte er, und es klang ehrlich. „Aber es gibt Dinge, die hängt man besser nicht an die große Glocke. Schon gar nicht, wenn man sich gerade erst kennenlernt.“
„Bist du ein Teufelsanbeter?“, fragte sie ganz direkt. Es musste einfach raus.
Sein Gesicht nahm einen völlig verblüfften Ausdruck an.
„Ein Teufelsanbeter? Ich? Nein. Der Himmel bewahre!“ Er war mit einem Mal sichtlich aufgeregt, und Maggie bedauerte bereits, so unverblümt gefragt zu haben.
„Okay“, beschwichtigte sie. „Anders gefragt: Warum hast du dir Azazels Namen auf den Körper tätowieren lassen?“
„Das ist kein Tattoo.“
„Dann eben ein Branding oder ein Cutting, was weiß denn ich?“, sagte sie ungeduldig. „Der Kern der Frage ist doch wohl der: Warum hast du es überhaupt anbringen lassen?“
Seine Augen zogen sich zusammen, und er schaute sie kühl an. „Was, glaubst du, gibt dir das Recht, eine derart persönliche Frage zu stellen, Magdalena?“, verlangte er zu wissen. „Und dann auch noch auf eine solch fordernde Art und Weise und in diesem Ton?“
Die herrische Kälte, mit der er diese Worte aussprach, verschlugen ihr für einen Moment die Sprache, und es fühlte sich so an, als hätte sie plötzlich einen Kloß im Hals.
„Du hast recht“, sagte sie dann, überrascht darüber, wie sehr seine Fragen sie verletzt hatten. „Wenn das, was wir haben ... oder vielmehr hatten ... für dich etwas Nebensächliches, Unwichtiges ist oder war, etwas, das nichts bedeutet und keine Zukunft hat, dann steht mir das natürlich nicht zu. Aber dann, Axel, gibt es für mich auch keinen Grund, länger hier zu sein.“
Sie drehte sich um und wollte gehen.
Er fasste sie am Arm und zog sie zurück.
Sie stieß ihn von sich.
„Lass mich!“ Sie fühlte, wie ihre Augen feucht wurden und wollte nicht, dass er das sah.
„Bitte“, sagte er. „Geh nicht.“
„Warum nicht?“, fragte sie und versuchte, ihre zitternde Stimme zu kontrollieren. „Warum soll ich bleiben, wenn du nicht willst, dass ich mehr über dich erfahre, um dich besser kennenzulernen? Geht es dir nur um den Sex? Ich wette, mit all deiner Kohle kannst du den wesentlich unkomplizierter haben als mit jemandem wie mir, der sich wirklich für dich interessiert und deswegen eben auch Fragen stellt.“
„Wie kannst du so etwas denken?“, fragte er bestürzt, und da war ein Flehen in seinen dunklen Augen. „Du hast es doch gerade eben selbst gesagt:
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