Schwur des Blutes
Rücken und warf einen Blick in den deckenhohen Spiegel. Ihr Hals glich mit der Farbenexplosion ihrem gebatikten Tanga. Gut, dass sie in die Einsamkeit wollte. Bei dem Wetter konnte sie schlecht einen Rolli tragen. Sie schmiss die Seide in den leeren Wäschekorb und stieg in die Duschkabine. Nach der Dusche streifte sie eine schwarze Sportunterhose aus Merinowolle über und zog den leichten, elastischen Nylonzweiteiler an. Obwohl es eine Art Jogginganzug war, schmeichelte er ihrer Figur, aber wen scherte das bei dem, was sie vorhatte. Sie schlüpfte in die Trailrunningschuhe, zog die schwarzgelbe Lederjacke an und warf sich den schweren Rucksack über die Schulter. Sie benötigte jetzt die Routine, das Auspowern, den Schweiß auf ihrer Haut, das Ziehen in den Muskeln, wenn sie übersäuerten. Sie schritt zur Eingangstür und blieb stehen.
„Verdammt!“ Vor sich hingrummelnd stellte sie den Rucksack ab und ging in die Küche. Hast du den Kühlschrank ausgemacht? – Nein, das hast du doch eh schon getan. Sams Mundwinkel zuckte, als ihr die ewig gleich verlaufenden Gespräche mit Chris einfielen, während sie die wenigen Lebensmittel in einen Mülleimer beförderte. Kühlschrank aus und auf, den Herd kontrollieren sowie ob sämtliche Fenster geschlossen waren. Die Wäsche müffelte leicht, als sie diese aus der Waschtrommel zog. Jeez, war das peinlich. Ihre Gedanken hingen wohl stets in den Wolken. Sie hängte die beinahe trockenen Kleidungsstücke trotzdem auf einen Ständer und klemmte einen Zettel hinzu, damit sie später nicht vergaß, die Sachen nochmals zu waschen, bevor sie sie anzog.
„Ich bin fertig“, murmelte sie ihren Satz, den sie sonst Chris zugerufen hatte, wenn es wieder einmal auf eine Expedition ging und er sich um alles gekümmert hatte. Sie schüttelte den Kopf. Wie hatte er es nur mit ihr ausgehalten?
Sie schulterte den Rucksack und tippte den Einschaltcode der Alarmanlage ein. Bewusst sorgfältig verriegelte sie die Tür des Hausbootes. Ob sie es verkaufen sollte? Viel zu groß für sie allein, viel zu viele Erinnerungen an Chris, wenngleich sie gerade diese unendlich liebte … und hasste. Sie hatte die technischen Feinheiten entworfen und das Material zusammengesucht. Er formte ihre Erfindungen mit Muße zu einem Endprodukt, baute sie ein, testete sie, meldete ein Patent an und verkaufte sie.
„Shit!“ So kam sie nie los. Ihre Sorglosigkeit war ihr wohl mit Chris’ Ableben abhandengekommen. Sie dachte zu viel nach … oder vorher zu wenig.
Sam joggte den breiten Steg entlang und blieb vor ihren beiden Parkplätzen stehen. Obwohl sie weiteres Gepäck mitnehmen würde, ließ sie den gereinigten Jeep Grand Cherokee an Ort und Stelle und schwang sich auf die schwarz-gelbe BMW. Sie schnallte den Rucksack fest und startete den 193 PS starken Motor des Superbikes. Damit kam sie schneller voran und ihr stand der Sinn nach riskanter Raserei.
Für die fünfzehn Meilen bis zu ihrem Laden ‚ExtremE‘ benötigte sie keine zwanzig Minuten, bog von der Golden Gate Avenue auf den Dr. Carlton Boulevard und drosselte die Geschwindigkeit. Durch die vielen Touristen, die sich hier tummelten, war das Polizeiaufgebot meist zu hoch, um unentdeckt mit einer Straftat davonzukommen. Die San Francisco City Hall zu ihrer Rechten glänzte weiß-golden im Sonnenlicht, führende Köpfe schienen Rat zu halten, über dem Rasen des Civic Center Parks wehten die Flaggen im Wind und im Opera House sah alles dunkel aus vor der nächsten Vorstellung. Sam fuhr auf einen grauen Wolkenkratzer zu, überquerte die Kreuzung und bog zwei weitere Male ab. In einem Rutsch brauste sie über den Parkstreifen, den Fußgängerweg, auf das sich öffnende Tiefgaragentor unter ihrem dreistöckigen Verkaufsgebäude zu. Sie gab noch einmal richtig Gas, weil es in dem Parkkeller so schön hallte und betätigte beim Hineindüsen die am Lenker festgeklickte Fernbedienung zum Schließen des automatischen Rolltors. Auf ihrem Parkplatz bremste sie scharf ab. Der Sound verhallte. Ihre Laune ebenso.
Die Mitarbeiterplätze lagen unbesetzt im Neonlicht, Chris’ Jeep stand neben ihrer Maschine. Zehn unterschiedliche Fahrzeuge, von Allradquad bis Monstertruck, verteilten sich in der Halle. Es versetzte ihr einen Stich. Wäre sie nach Chris’ Tod nicht selten dämlich vorgegangen, wären diese Prachtexemplare jetzt auf den Pisten, vermietet, um in den Bergen oder sonst wo zum Einsatz zu kommen, und stünden nicht unnütz herum. Die Ausstellungshalle
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