Science Fiction Almanach 1982
aufnötigen lassen, zumal einige Nume sich unter dem schlechten Einfluß der Erde zu überheblichen Machthabern entwickeln: Auf der einen Seite werden so Fortbildungsschulen für Erwachsene mit einer Mark Lernentschädigung pro Stunde gegründet – das ganze wird finanziert aus dem ja nicht mehr benötigten Militärhaushalt (Bildung statt Rüstung sozusagen) –, auf der anderen Seite kommen Unbotmäßige in „psychologische Laboratorien“, und manche Nume bekommen den „Erdkoller“ und benehmen sich wie größenwahnsinnige preußische Unteroffiziere.
Um das Gute zu erhalten und das Schlechte zu entfernen – die Fremdherrschaft –, bildet sich ein geheimer internationaler Menschenbund unter dem Schlagwort „Numenheit ohne Nume!“ Der Aufruf wird von Grunthe und Saltner verfaßt. Es geht um folgendes: Die Menschen müssen ihre sittliche Autonomie und Würde erlangen, und sittliche Autonomie und Würde gebieten es, den eigenen Weg zum Kulturfortschritt zu gehen. Wenn die Menschen das erreichen, können auch sie wegen ihrer strengen Sittlichkeit nichts mehr gegen die Menschen unternehmen: „Kein Martier vermag den Griff des Nihilitapparates zu drehen, keiner einem Menschen seinen Willen aufzwingen, wenn ihm der Mensch mit festem, sittlichem Willen gegenübertritt, mit einem Willen, in dem nichts ist als die reine Richtung auf das Gute. „ 35
Dieser Weg wird dann auch erfolgreich beschritten, die Martier müssen sich davon überzeugen lassen, und so siegt auf beiden Seiten die Vernunft, und Weltfrieden kehrt ein. Die Numenheit siegt auch ohne die Nume, und auf der Erde steht das Tor zum utopischen Glück der Martier offen.
Diese Inhaltsangabe enthält den wesentlichen Handlungsablauf, täuscht aber etwas über den eigentlichen Unterhaltungscharakter des Romans hinweg. Die Hauptträger der Handlung – Saltner, Torrn, Grunthe, La (Martierin), Se (Martierin), Frau Torrn, und Ell, Mensch und Martier zugleich – sind in das spannende Geschehen zwischen Erde und Mars verwickelt und noch dazu in persönliche (Liebes-)Konflikte. Interessant ist, daß offenbar die Martierinnen auch einen weiterentwickelten Liebesbegriff praktizieren als die Menschen. Es bestehen nur Bindungen, die dem Individuum seine Freiheit lassen. „Liebe darf nicht unfrei machen.“ So sind zunächst La und Se mit Saltner befreundet, jedoch geht La dann später doch – wie von Saltner gewünscht – eine feste Verbindung mit diesem ein, was allerdings symbolhaft steht für die Möglichkeit der Annäherung zwischen Erde und Mars.
Die Analyse des Romans zeigt zunächst, daß es sich bei Auf zwei Planeten – im Zeitalter des Kolonialismus geschrieben –, um einen antikolonialen Roman handelt. Seine Aussage läßt sich zusammenfassen in: Jeder Mensch hat die Pflicht (!), seinen eigenen Weg zum Kulturfortschritt zu finden, Höherkultivierte dürfen helfen, nie aber unterdrücken.
Weiterhin ist der Roman in weltbürgerlicher Absicht verfaßt, es geht nicht um Nationen, sondern um die Menschheit. So verschwindet auch Preußens Herrlichkeit samt Kaiser im Handumdrehen von der politischen Weltbühne, wobei Seine Majestät dümmlicherweise im letzten Moment mit dem Degen in der Hand Preußens Gloria retten will. „Dann riß er den Degen aus der Scheide und rief: ‚Meine Herren! hier gibt es nur einen Weg – hindurch!’ „ 36 Dem Säbelrassler, den Fürsten und Generalen, bleibt angesichts der riesigen Flugboote der Martier letztlich nichts anderes übrig, als sang- und klanglos zu kapitulieren. (Unsere Kaisertreuen im Scheffler-Verlag haben es übrigens fertiggebracht, diese für damalige Verhältnisse sehr kritischen Anmerkungen eines immerhin beamteten Untertanen in ihrer Gesamtheit zu kürzen.)
Für den Kulturfortschritt gilt, daß er sich aus der Entfaltung von Wissenschaft ergibt, die Abhängigkeit von Natur zurückdrängt und so die Möglichkeit zur Humanität fördert. Der Kulturfortschritt besteht darin, daß sich Sozialethisches gleichzeitig mit Wissenschaft höherentwickelt. Der hohe Entwicklungsstand ist bei den Martiern sowohl eine Frage der Naturbeherrschung als auch der Selbstbeherrschung. Oder, wie bei Julius von Voß schon einmal formuliert: Technisch-wissenschaftlicher und politisch-sozialer Fortschritt bedingen einander.
Das ist für die SF keineswegs selbstverständlich. Häufig wird davon ausgegangen, technisch höherentwickelte Fremdrassen seien dem Menschen feindlich gesinnte Ungeheuer. Allerdings bedarf es nicht
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