Science Fiction Almanach 1982
räumt auf mit dem Glauben an die Machbarkeit des abstrakten Wünschens, weil Aladin die Naturgesetze nicht mehr aufheben kann, denn die Menschen haben sie inzwischen erkannt, womit die Möglichkeit zur phantastischen Zauberei in dieser modernen Welt entfällt; in „Wie der Teufel den Professor holte“ (1902) verblüfft ein moderner Professor mit seinen mathematischen Kenntnissen den Teufel (als Symbol für Mystisch-Metaphysisches stehend) derart, daß er die Freiheit zurückerlangt; und in „Die Weltprojekte“ (?) schließlich kommt konkrete Utopie als technische vollends zum Durchbruch.
Bei den Weltprojekten geht es um nichts Geringeres als die beste aller möglichen Welten. Gott entwirft zwei Projekte, eine total verwissenschaftlichte Welt, eine Welt des Gesetzes, und eine Welt der Phantasie, wo der Wunsch sofort zur Wirklichkeit wird, ein verwirklichtes abstraktes Utopia sozusagen.
Beide Projekte stellen die Bewohner nicht zufrieden, die einen sind Sklaven des Gesetzes, die anderen wunschlos unglücklich – denn wenn man sich alle Wünsche erfüllen kann, macht das Wünschen keinen Spaß mehr. Unter der Regie von Oberengeln entsteht aus Phantasie/Utopia und Gesetz eine neue Welt, die Welt der Menschen. Gott greift sich einen Menschen aus diesem Weltprojekt heraus, und siehe da, dieser ist zufrieden. Der Herr freut sich: „Nicht übel. So steuert ihr ja gerade auf die vernünftige Welt zu, die ich erwarte. Na, so mögt ihr sie euch denn selber schaffen, ich will sie bestätigen. Und wer bist du denn eigentlich? Ich bin der Ingenieur. „ 22
Diese Geschichte ist hervorzuheben, weil sie elementares SF-Gedankengut enthält. Es geht um eine Welt, die (abstrakte) Utopie und Gesetz vereinigt, um eine Welt, die damit prozeßhaft-konkret wird, weil das Wünschen auf der Basis der Naturgesetze/Wissenschaft machbar wird. Derjenige, der diesen Prozeß nach vorn treibt, ist, frühem Fortschrittsoptimismus der SF entsprechend, der Ingenieur.
Noch eine weitere Kurzgeschichte ist hervorzuheben: „Apoikis“ (1882), eine philosophische Utopie. Apoikis (Apoikis heißt Siedlung), ist eine im Atlantik in der Nähe von Tristan da Cunha gelegene fiktive Insel, auf der Nachfahren des Sokrates ein utopisches Gemeinwesen errichtet haben.
Apoikis ist offensichtlich in Anlehnung an Schnabels Insel Felsenburg – dem wohl ersten entwickelten utopischen Unterhaltungsroman in Deutschland (vierteilig 1731/32/36/43) – verfaßt worden und weist damit auf Tradition utopischer Literatur in Deutschland hin.
Durch Sekundärliteratur läßt sich nach meiner Kenntnis die behauptete Verbindung zwischen Felsenburg und Apoikis nicht belegen, wohl aber durch Text vergleiche. Bei Laßwitz äußert sich sein Berichterstatter Ehbert gleich zu Beginn über das „Barbarentum Europas“. Dies entspricht der Europafeindlichkeit der Felsenburger, und auch der Name des Berichterstatters Eberhard Julius steht in auffälliger phonetischer Ähnlichkeit zu Laßwitz Ehbert.
Beide Inseln liegen im Atlantik und zeichnen sich durch unwirtliche, hohe Felsen aus, hinter denen jedoch ein verstecktes Paradies angesiedelt ist.
Laßwitz schreibt: „Kaum hatte ich den oberen Rand erreicht und einen Blick hinübergeworfen, als ich wie verzaubert stehenblieb … „ 23
Und Schnabel schreibt: „… biß ich auf den allerhöchsten Gipfel gelangt war, allwo alle meine Sinnen auf einmahl mit dem allergrößten Vergnügen von der Welt erfüllet wurden. Denn es fiel mir durch einen eintzigen Blick das gantze Lust-Revier dieser Felsen-Insel in die Augen, welches ringsherum von der Natur mit dergleichen starken Pfeilern und Mauern umgeben, und so zu sagen verborgen gehalten wird. „ 24
Im weiteren unterscheiden sich das Schnabelsche und das Laßwitzsche Paradies erheblich.
Den Helden Schnabels begeistert die Nahrungsfülle, das zahlreiche Wildbret, „zwey- oder dreyerley Arten von Geflügel“, Früchte und Weinstöcke. Die Insel Felsenburg ist eine Art Schlaraffenland, in der man lediglich der Mühe des Bratens noch nicht enthoben ist. Auf dieser Grundlage des irdischen Paradieses errichten die Felsenburger später ihr pietistisches durch Verwandtschaftsbeziehungen harmonisiertes Utopia.
Bis zum Schlaraffenland folgt Laßwitz der Schnabelschen Handlung, dann aber entwickelt er seine eigene Utopie. Apoikis ist von Nachfahren des Sokrates bevölkert, die ursprünglich – wie die Schnabelschen Figuren – dem Zwang äußerer Natur enthoben waren. „Wir aber
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