Science Fiction Almanach 1982
Erdteilen konnte man es erleben, daß die Einwohner von Dörfern und Städten Spalier standen, um die Hexenkugel vorüberpfeifen zu sehen. Erst vereinzelt, später allgemein wurde es üblich, Postkarten und fotografische Bildnisse in die Schußbahn zu halten, sie durchlöchern zu lassen und sich dergestalt ein Andenken an die ruhelose Kugel zu verschaffen. Im März, als das Spiel begann, wurde ein vereinzelter Einschuß noch hoch bewertet; im Juli bezahlten Kenner für zwanzig Einschüsse, selbst wenn sie dicht beieinander lagen, nur noch geringe Summen. Viel beneidet war ein Leuchtturmwächter, der eine Postkarte besaß, die nicht weniger als einundfünfzig Schußlöcher aufwies. Eben dieser Leuchtturmwächter war der erste, der sich, in seltsamer Verkehrung der Umstände, als Kugelschütze bezeichnete, seltsam darum, weil er ja nicht eigentlich schoß, als vielmehr das Ziel in die Bahn der rabiaten Kugel brachte. Da jedoch jede Verwirrung eindeutiger Begriffe damit rechnen kann, Volkstümlichkeit zu erlangen, bildeten sich bald Schützenvereine, die im Grunde aus mehr oder weniger geschickten Kugelhaschern bestanden. Man erkannte diejenigen, die ihnen angehörten, an den leichten und schweren Handverletzungen, die sie ihrem Sport zuliebe davontrugen. Leider wurde die Kugel auch mißbraucht. Es geschah nämlich gar nicht selten, daß Mörder ihre Opfer in den Weg des Geschosses lockten oder sie mit Gewalt dorthin zerrten. Ging man der Untat nach, so redeten sie sich heraus, ein unglücklicher Zufall sei im Spiele gewesen, und das war schwer zu widerlegen.
Der Mann, der einst die Kugel abgefeuert hatte, lebte in aller Unschuld dahin. Wohl wußte er von dem Geschoß, das eine ganze Welt in Atem hielt, und hütete sich, ihm in die Quere zu geraten. Wie aber hätte er argwöhnen können, daß gerade er der Anstifter des Übels gewesen sei? Als er sich wieder einmal in seinem Garten aufhielt, geschah es, daß die Kugel daherfegte und ihm ein Ohrläppchen abriß. Darüber geriet der Mann in großen Zorn, eilte in sein Haus und holte die Pistole, um es dem unbedachten Schützen mit gleicher Münze heimzuzahlen. Bis er wieder in den Garten zurückkehrte, hatte die Kugel längst den Planeten umkreist und näherte sich abermals dem Ort ihres Ausgangs. Man mag es Zufall oder Schicksal nennen; jedenfalls geriet das Geschoß genau in den Lauf der Pistole, dorthin, wo es gesessen hatte, ehe es sich auf große Fahrt begab. Und da sitzt es noch heute, denn der Mann hat weder an diesem Tage geschossen, noch an irgendeinem folgenden, weil er keinen Anlaß dazu hatte.
Herbert W. Franke
Kosmischer Staub
Unsere Studienreise begann vor acht Monaten. Wir waren einfach überwältigt von den Fortschritten auf den Kolonialplaneten. Als erste erhielten wir Zutritt zu den automatisch gesteuerten Thoriumbergwerken auf dem PLK 17/2, wir sahen die auf der Erde noch nicht bekanntgegebenen Kreuzungsergebnisse zwischen Menschen und Mauriden des PLK 19/1, wir wohnten der Sprengung eines Innenmondes (PLK 8/7b) bei, die durch Beschuß mit Isotronen hervorgerufen wurde.
Kurz nach einem Besuch des PKL 21/1, wo es gelungen war, eine dem 98%-Sauerstoffgehalt der dortigen Atmosphäre angepaßte Menschenrasse zu züchten, ereilte uns die Katastrophe. Wir waren ausgestiegen, um eine Eisenstaubwolke zu untersuchen, und hatten uns alle mehr oder weniger weit vom Raumschiff entfernt. In unseren Überanzügen schwebten wir inmitten der feinen Flocken aus Magnetitstaub und versuchten, möglichst viele davon in unsere Perlestronnetze zu bekommen. Plötzlich sah ich, daß sich unser Schiff zu bewegen begann. Nach einigen Augenblicken der Erstarrung versuchte jeder, es mit Hilfe seines Rückstoßmotors zu erreichen. Unsere Geschwindigkeiten waren jedoch viel zu klein. Auch mir wäre es nicht gelungen, wenn ich mich nicht zufällig in der Flugrichtung des verrückt gewordenen Fahrzeuges befunden hätte. Es kam in den Wirksamkeitsbereich meiner Elektretsohlen und ich stieß mit einem harten Ruck an der Außenwand an. Meine Kameraden aber blieben in der Flockenwolke zurück.
Der Fehler mußte in der Fernsteuerungszentrale liegen. Vom Schiff aus hatte ich keine Möglichkeit, etwas zu unternehmen, auch Sendung und Empfang waren nicht mehr möglich. Vielleicht lag es auch an der riesigen Ausdehnung der Wolke aus Eisenoxydstaub. Erst nach zwölf Tagen wurden die Flocken spärlicher und blieben schließlich ganz zurück. Inzwischen aber war ich längst aus dem
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