Science Fiction Almanach 1982
Empfangsbereich der Stationen herausgeraten, ebenso aber aus dem Bereich der Fernsteuerung. Die eigene Trägheit trieb das Schiff ins All hinaus.
Ich weiß bis heute nicht, was an dem Mißgeschick schuld war. Ohne etwas daran ändern zu können, glitt ich durch den finsteren Raum, der auch durch die Myriaden Sterne nicht erhellt wurde. Dann ging ich wieder durch lichte bunte Wolken hindurch, kosmische Nebel von einer unbegreiflichen Leuchtkraft und Farbenpracht. Doch trotz dieses herrlichen Schauspiels stieg das Gefühl der Einsamkeit und Verlorenheit immer stärker in mir auf. Am 30. Tage sichtete ich plötzlich eine ganze Flotte von Raumschiffen. Sie zogen ruhig und majestätisch im Lichte einer Nova dahin. Wie wild stürzte ich zur Sendeanlage und gab das Notsignal. Zwei Minuten später wurde das Bild des Geschwaders plötzlich riesengroß, verzerrte sich und zerrann in nichts. Ich war einer Fata Morgana zum Opfer gefallen …
Nun erst überfiel mich die Verzweiflung mit voller Gewalt. Ich hockte in meinem Lager und brütete vor mich hin.
Am 32. Tag hörte ich ein Geräusch aus dem Lautsprecher. Es war kein Irrtum. Eine Einmannrakete zog nicht weit von mir ihre Bahn, ich bekam sie leicht in meinen Fernsehsucher. Es war ein ganz kleiner Typ, einer von denen, die die Regierungskommissare ihren Kindern zu schenken pflegen, aber: Es besaß einen eigenen Antrieb! Und konnte zu mir heransteuern!
Nach zwei Tagen gelang es mir, das Innere des Fahrzeuges in die Linse zu bringen. Und ich sah – am Steuer saß ein Mädchen! Ich konnte es kaum glauben, hier im Weltraum, weit außerhalb des Kolonistengebietes, wohin sich nicht einmal eine Expeditionsflotte verirrt, ein Mädchen zu finden. Aber ich hatte recht gesehen.
Tanja, so war der Name, konnte auf ein ähnliches Erlebnis zurückblicken, wie ich. Plötzlich wurde sie von einer unbekannten Kraft erfaßt – vielleicht dieselbe, die mein Schiff in Bewegung setzte – und sechs Tage lang abgetrieben. Dann funktionierten zwar die Maschinen wieder, doch Tanja hatte die Orientierung verloren und irrte im Raum umher. Als mich der Ruf erreichte, besaß sie noch Treibstoff für vier Tage und der Vorrat an Energentabletten war fast aufgebraucht.
Was für Qualen bereitete uns die Ungewißheit: Würde das Treiböl reichen, um uns zusammenzubringen? Zehnmal rechnete ich es aus und bestätigte es wieder. Und doch hatten wir Angst, es könnte irgend etwas Unvorhergesehenes eintreten.
Doch alles ging gut. Schon am zweiten Tag sah ich das kleine Schiff mit freiem Auge und nur zehn Minuten später landete es auf dem Rumpf meines Fahrzeuges.
Tanja hatte den Raumanzug angezogen und stieg durch die Luke ein. Als die Luftschleuse geschlossen war, versuchte sie, den Helm abzulegen, doch der Halsreifen ließ sich nicht öffnen. Ich untersuchte das Sicherheitsventil und sah: Es war auf 98%-Sauerstoff und drei Atmosphären-Druck eingestellt!
Tanja war ein Mensch vom PLK 21/1, ein Mensch, der nur in Luft höchster Sauerstoffkonzentration leben kann. In einer solchen Atmosphäre muß ich verbrennen. In der Luft, die ich atme, erstickt Tanja.
Ich habe Tanja in der Kajüte untergebracht, die unserem Exkursionsleiter gehört hatte. Dort hat sie es bequem. Sauerstoffgehalt und Druck habe ich richtig geregelt.
Da treiben zwei Menschen durch den unendlichen Raum und doch ist jeder allein. Wir sitzen stundenlang vor der Glasplatte, die in der Tür eingelassen ist und sehen uns an. Wir wollen zueinander, den warmen Atem des anderen spüren, das Herz des anderen schlagen hören …
Doch wir können uns nicht einmal an den Händen halten.
Wolfgang Jeschke
Der Riß im Berg
Brodelnd atmete der Stern. Unsichtbar pulste der Raum. Ein Mahlstrom aus Licht umtoste den Kern in rasenden Wirbeln gleißender Helle, die Masse eines Planetensystems in Energie. Die sinkende Gravitation hatte fast den Punkt erreicht, da sie die Photonen nicht mehr auf Kreisbahnen halten konnte, und diese auf Bahnparabeln aus der Hölle des Systems explodieren würden.
Diese gigantische Granate drang unsichtbar in die Galaxis. Die geballte Energie eines milliardenjährigen Fusionsprozesses drängte zur Entladung.
Ein Ungeheuer aus Feuer und Rauch hob seine lichtschnellen Schwingen, noch unsichtbar warf es seine drohenden Schatten voraus, und dann stieß es zu, rasend und tödlich.
Der Raum barst, und die Zeit zerglitt.
Weich trugen ihn elastische Massen nach oben. Sein Bewußtsein taumelte aus Verliesen
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