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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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ist die seltsame Geschichte, die ich erzählen wollte, und die ich dem Urteil des freundlichen Lesers hier übergebe.



Paul Scheerbart
  Die großen Bäume.
Eine Juno-Novellette
     
    Die großen Bäume tasteten mit ihren langen Astarmen immer heftiger in der Luft herum und konnten sich gar nicht beruhigen; sie wollten durchaus wissen, was sie einst waren, als sie noch nicht Astarme hatten.
    Der Asteroid Juno war eine dicke runde Scheibe – so wie ein großer irdischer Eierkuchen sah er aus; der Durchmesser dieses Kuchens betrug noch nicht einmal zweihundert Kilometer, dick war er höchstens fünf – aber so dick war er nur in der Mitte, den Rändern zu wurde er immer dünner.
    Die Juno wurde nur von riesig großen Baumwesen bewohnt, deren Wurzeln sich in der Mitte des Sterns durcheinanderschlangen. Sehr hoch ragten die Bäume in den Äther hinauf – in der Mitte fast hundert Kilometer hoch – sowohl nach der einen Kuchenseite wie nach der andern. Aber nach dem Kuchenrande zu wurden die Bäume immer kleiner, so daß der ganze Stern aus der Ferne gesehen doch den Eindruck eines Kugelsterns machte.
    Die Äste der Baumwesen waren nicht so hart wie die Äste irdischer Bäume; die Junowesen konnten ihre Astglieder so leicht nach allen Richtungen bewegen, als wären’s Klapperschlangen. Viele bewegliche kleinere Schlangenäste ragten aus den Hauptstämmen heraus. Und die Spitzen der Äste hatten anstelle der Blätter und Blüten sehr komplizierte Tastorgane, mit denen die Junonen unsäglich viele Dinge in der Luft und im Äther wahrnahmen – auch weit entfernte, so daß irdisches Auge und Ohr gar nicht entbehrt wurde auf der Juno.
    Wenn die Junonen zueinander sprachen, so vernahm man natürlich nicht helle Töne – wäre ein Ohr dagewesen, es hätte nur ein leises Knistern unter den Baumrinden bemerkt. Trotzdem verständigte man sich auf der Juno sehr schnell und ohne Mühe.
    In den höheren Zweigen der Baumriesen bildeten sich oft, wenn es der Junone wollte, umfangreiche Luftballons; wie Blüten sahen sie aus, und sie hoben den Zweig rasch empor – oft viele Kilometer hoch – in ein paar Sekunden.
    Die Luftballons leuchteten, als hätten sie elektrisches Licht an sich; aber das Leuchten sahen die Junonen nicht, da sie ja keine Augen hatten.
    Die Denkorgane saßen in den Wurzeln der Baumriesen.
    Und mit diesen Denkorganen, die nur unsäglich komplizierte Tasteindrücke verarbeiteten, dachten die Junonen unablässig über ihre Vergangenheit nach; sie waren fest davon überzeugt, daß sie früher ein ganz anderes Leben geführt hatten.
    Aber sie konnten sich nicht an das andere Leben erinnern, soviel sie auch suchend mit ihren Astarmen in den Lüften herumtasteten.
     
    Außer den Tastorganen besaßen nun die Junonen in ihren Baumrinden sehr viele Poren, die auch Organcharakter und mit irdischen Tiernasen viel Ähnlichkeit hatten.
    Die meisten Junonen kümmerten sich nicht viel um ihre Porennasen.
    Nur die beiden größten Junonen, die in der Mitte des Sterns fast hundert Kilometer hoch ihre Gliedmaßen ausrecken konnten, bildeten ihre Porennasen aus.
    Und so sprach eines Tages der große Junone der Mitte zu dem, der sich unter ihm nach der anderen Seite des Sterns auch hundert Kilometer hoch aufreckte:
    „Lieber Antipode! Mir ist doch so, als wenn mein Erinnerungsvermögen ganz verwandelt wird, wenn ich nur an meine Porennasen denke und die Tastorgane in meinen Astfingerspitzen momentan vergesse.“
    Da sagte der Antipode, daß es ihm genauso ginge.
    Und es knisterte unter ihren Baumrinden.
    Und die anderen Junonen wunderten sich über die lebhafte Unterhaltung in der Mitte des Sternes.
    Und dann empfanden die beiden Antipoden in der Mitte der Juno plötzlich einen intensiven Geruch, der sie an etwas Altes – ganz Uraltes – erinnerte, sie wußten nicht gleich, was es war – aber sie sprachen immer heftiger zusammen, bis zuletzt der eine Antipode in seiner leisen Knistersprache sagte – in den Wurzelrinden knisterte es da, und es wurde fühlbar in der ganzen Juno für jeden Junonen:
    „Antipode, ich bemerke Bratengeruch in meinen Porennasen.“
    „Ich auch! Ich auch!“ rief der Antipode.
    Und alle Junonen näherten ihre Astschlangenglieder der Mitte des Sterns, so daß dieser plötzlich die Form zweier Blumenbuketts erhielt – ein Kegel nach oben und nach unten; der Junorand stand wie eine Manschette ganz leer da.
    „Bratengeruch!“ ging’s durch alle Baumrinden.
    „Was mag das wohl heißen?“

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