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Science Fiction Almanach 1982

Science Fiction Almanach 1982

Titel: Science Fiction Almanach 1982 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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bemerkten dazu einige andere Junonen, „wenn wir unsern gegenwärtigen harmonischen Zustand nicht genügend auskosten könnten.“
    Und alle Junonen lebten ruhig weiter als erinnerungsvolle Baumriesen, und das Knistern unter ihren Rinden klang oft sehr hell und lustig.

 
Kurt Kusenberg
  Die ruhelose Kugel
     
    Der Mann, der das Geschoß abfeuerte, war kein geübter Schütze. Er hatte die Pistole erstanden, um Diebe von seinem Grundstück fernzuhalten, und wollte lediglich erproben, ob die Waffe ihre Schuldigkeit tue. Darum begab er sich in den Garten und suchte nach einem Ziel. Drei Kugeln jagten an der großen Sonnenblume vorbei, ohne sie auch nur zu streifen. Der Mann, den kein Ehrgeiz quälte, zuckte die Achseln und ging zum Mittagessen.
    Er ahnte nicht, was er angerichtet hatte. Vor allem wußte er nicht, daß unter den drei Kugeln, die er vertan, sich eine befand, die von ganz besonderer Art war. Noch heute grübelt man darüber nach, welche Kraft wohl das Geschoß befähigt haben mag, den Naturgesetzen Hohn zu sprechen. Während einige annehmen, die Kugel habe eine ungebührlich hohe Anfangsgeschwindigkeit entwickelt und sich später aus eigenem fortgeholfen, meinen andere, das Geschoß müsse versehentlich in die vierte Dimension geraten sein, in eine Gegend also, die sich um den landläufigen Raum wenig kümmert, obwohl sie ihn durchquert. Wir neigen einer dritten Erklärung zu, die womöglich abwegig ist, jedoch viel für sich hat. Sie besagt, daß jener Kugel ein Tropfen Hexenblut beigemischt gewesen sei und daß diese wirksame Substanz vollbracht habe, was dem Schießpulver allein nie und nimmer gelungen wäre. Denn das Geschoß, von dem wir reden, fiel keineswegs nach angemessener Zeit nieder, sondern durcheilte mit unverminderter Kraft die Lüfte.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß sich ihm mancherlei Hindernisse entgegenstellten. Zwei Zaunlatten, eine kräftige Buche und ein Straßenschild hatten wenig Glück; die Kugel durchschlug sie spielend und war nicht aus der Bahn zu bringen. Im Gegenteil, nun wurde sie erst richtig munter und brachte in rascher Folge etliche Spatzen, einen Habicht, eine Brieftasche und den hölzernen Sänger einer Kuckucksuhr zur Strecke. Danach muß sich ihr Lauf wohl wieder dem Erdboden angenähert haben, denn aus großen und kleinen Städten kamen Klagen über mutwillige Schützen, die das Eigentum der Bürger beschädigten und Menschenleben in Gefahr brachten. Besonders häufig wurden Kronleuchter, Landschaftsgemälde und Tassen betroffen; doch auch vor den Bildnissen der Landesherren machten die unbekannten Missetäter nicht halt, so daß der Eindruck entstehen mußte, es handle sich um eine regelrechte, weltumspannende Verschwörung. Wo die Kugel hinkam, hinterließ sie Unruhe und brachte die Polizei, die ratlos war, zur Verzweiflung.
    Wir würden ins Uferlose geraten, wollten wir aufzählen, was die blitzschnell dahinsausende Kugel alles anrichtete. Es kann sich jeder allein ausdenken, welcher Taten ein Geschoß fähig ist, sobald es Hindernisse nicht achtet und seiner Irrfahrt zunehmend Geschmack abgewinnt. Selbstverständlich ging vieles zu Bruch, und es läßt sich nicht verschweigen, daß manche Menschen Streifschüsse erlitten, von glatten Durchschlägen nicht zu reden. Doch wußte die Kugel auch Gutes zu stiften. Das Ehepaar Dubois beispielsweise, wohnhaft in Paris, hätte sich ums Haar entzweit, weil es sich über die Aufstellung einer großen Kristallvase nicht einig werden konnte. Als die Kugel das schöne Stück zertrümmerte, war der Streit – man darf es sagen – gegenstandslos geworden, und das Ehepaar sank einander versöhnt in die Arme.
    Freilich fliegt ein Geschoß schneller, als der Mensch denken kann. Fliegt es jedoch längere Zeit hindurch, so sammeln sich die Gedanken, und Schlußfolgerungen bleiben nicht aus. Man kam bald dahinter, daß es sich bei so verschiedenen Wirkungen um eine gemeinsame Ursache, um eine einzige Kugel handeln müsse, die da widerrechtlich durch die Welt fuhr. Mathematiker machten sich daran, die Bahn des Geschosses zu errechnen, und gerieten an eine mühevolle Aufgabe, denn die Gesetze, nach denen die Bewegung sich vollzog, standen in keinem Lehrbuch. Schließlich aber glückte es einem jungen Physiker, die seltsamen Kurven aufs Papier zu bringen, und bald danach befand sich der Fahrplan des Geschosses in aller Hand. Nun der Störenfried eingeordnet war, veränderte sich die Stimmung zu seinen Gunsten. In allen fünf

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