Science Fiction Almanach 1983
bewahren, um Konzentrationskräfte zu sammeln, Konzentrationsenergie.
Bald würden die Kiefer der Brandungswellen an den Buntsandsteinfelsen zu nagen beginnen. Und die Kiefer der Hummer …
Die überstandene Nervenanspannung, der eilige Rückweg über die Abrasionsterrassen, der Aufstieg ins Oberland über die verbotene Wendeltreppe, das veränderte Aussehen der Finalistin, kurz, die ganze Begegnung mit Tessa hatte die vier Mädchen ziemlich mitgenommen. In der Eiergrogstube „Zur alten Schnigge“ hockten sie schweigend zusammen und nippten an ihren Gläsern mit Friesenpunsch. Der alte, weißbärtige Halluner brachte die Getränke noch höchstpersönlich an die Tische mit den gewachsten, vom Alter nachgedunkelten Holzplatten; ein Einheimischenlokal, das sich seine Originalität zwischen den perfekten Automatenrestaurants bewahrt, ja hartnäckig erkämpft hatte. Wenn dieser Treffpunkt genannt wurde, war immer nur vom „Museumsstüberl“ die Rede. Hier gab es weder eine Musikbox noch eine Holovisionsnische. Die „Stille“ wurde auf die Getränkepreise geschlagen. Wirkte die Gaststube nicht wie eine Höhle, wie eine komfortable Hummerhöhle …
Muja mahnte als erste zum Aufbruch. Kaum zwanzig Minuten später fuhren sie mit dem Lift in die vierte Etage zu ihrer Wohnspirale hoch. Beim Betreten des Flures schalteten sich automatisch die Lichtfaserbänder ein, die ohne Zwielicht den Tageslichteinfall optimierten. Ein Zungenschnalzen … die schwere Eingangstüre summte auf. Die Mädchen traten über die Schwelle und erstarrten.
„Wo bleibt ihr denn so lange? Ich warte auf euch!“
„Ach, du irrer Globus!“ stieß Muja gepreßt hervor.
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Laserma vergaß, ihre Stirnlocken zurückzustreichen.
„Hexerei, Hexerei“, wimmerte das Küken.
Tyra starrte Argo fassungslos ins Gesicht. Mit übereinandergeschlagenen Beinen – sie trug hochglanzpolierte Stiefel – thronte sie lässig in einem der Schneckensessel. Das blauschwarze Haar schimmerte, als sei es frisch gewaschen. Die Kurzhaarfrisur, die Muja von ihr kopiert hatte, lag in tadelloser Fasson.
„Man sollte euren Anblick in einem Spektral-Dia für die Nachwelt archivieren. Das personifizierte schlechte Gewissen hoch vier!“ Argo lachte übertrieben. „Kommt endlich herein und schließt die Tür.“
„Ich weiß nicht, was vorhin mit uns los war“, versuchte Muja einzulenken.
„Gute Einflüsse prägen ein – schlechtes Beispiel prägt aus! Das habt ihr doch gelernt. Versucht also nicht, euch herauszureden. Über die disziplinarische Maßregelung eurer Entgleisung reden wir später. Die Freizeitbonus-Ausgabe wird ab sofort beschränkt!“
Entschlossen fragte Tyra, wie Argo so schnell in die Wohnspirale gelangt sei.
„Psi-Training, meine Lieben. Konzentrationsenergie! Damit kann ich jederzeit eine Notverbindung zu unserer Zentrale herstellen.“ Argo winkelte den rechten Unterarm waagerecht vor die linke Brust. „Mens sana in corpore sano!“
„Was? Sie können per Gehirnwellen SOS und Ihren Standort funken?“ vergewisserte sich Laserma.
„Reine Trainingssache! Der Rest war eine Routineangelegenheit für unseren Schutztrupp.“
„Weshalb sind wir von diesem Psi-Training ausgeschlossen?“ bohrte Laserma nach.
Argo lächelte aasig. „Weil ihr noch nicht reif dazu seid.“
„Was ist mit Tessa?“
„Aber Tyra, das müßtet ihr doch am besten wissen. Ihr seid doch mit ihr fortgezogen.“
„Sie hat sich von uns getrennt.“
Argo knetete wie eine Klavierspielerin an ihren Fingern herum. „Das ist auch
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