Science Fiction Almanach 1983
Gleitbändern gezogen, im Inneren der Hovercraft-Garage. Auf dem Hotellandedeck setzte gerade ein Rotor-Taxi auf. Die Düne, auf der man, je nach Lust und Laune, in der offenen Brandung oder in Lee baden konnte, zählte mit seinen Molen und Schutzbauten, einem Flugplatz, dem Hafenbecken und den großzügig aufgespülten Sandflächen zu den beliebten Naherholungszielen der zahlreichen Erdgas- und Bohrplattformbesatzungen im Nordseegebiet. Wie ein stählerner Regenbogen wölbte sich die kühne Leitschienenkonstruktion von West nach Ost über die schmälste Meeresstelle.
Jemand griff nach Tyras Hand.
„Komm, unter Menschen sind wir am sichersten!“ Tessa steuerte, ohne die Freundin loszulassen, auf die Einstiegsschleuse einer Transfer-Kabine zu. Neugierige Blicke folgten dem großen Mädchen mit der dunkelgrünen Augenklappe und dem asymmetrisch geschnittenen Blondhaar. Es steckte hastig zwei Plastikchips in den Fahrausweisautomaten.
Tyra drängte zur Kabinenspitze, wo sie in zwei Schalensitzen, anstelle der üblichen Viererreihen, Platz nehmen konnten.
„Bitte legen Sie zum Start die Sicherheitsgurte an. Sie werden eine klare Sicht haben. Wir wünschen guten Transfer.“ Der Stimmautomat schepperte metallen. Tyra blickte kurz um sich. Sie kam sich vor wie in der Kanzel eines Düsengleiters – ein erhebendes Gefühl. Aber jetzt ging es nicht um Gefühle, ermahnte sie sich selbst, sondern um Fakten. Ein dunkler Pfeif ton zeigte den Start an. Im Telegrammstil berichtete Tyra der Freundin, was sich in der Wohnspirale zugetragen hatte.
„Argo hat also alles zugegeben. Jetzt bist du meine Kronzeugin! Arme Tyra, deine Lippe ist geschwollen. Und dein Ringfinger sieht ja schlimm aus.“ Tessa strich zärtlich über Tyras malträtierte Linke. „Und nach jenem seltsamen Schallereignis, sagtest du, war unser Höhlentreffen aus dem Bewußtsein der Mädchen getilgt?“
„Ja, total! Ich hatte mich voll und ganz auf den Schmerz konzentriert. Vielleicht blieb mir deswegen der Hypnoschock erspart. Argo war ja plötzlich verschwunden.“
Nach einer kurzen Pause des Überlegens forschte Tessa, ob Tyra jene seltsamen Töne schon zuvor einmal gehört habe.
„Wenn überhaupt, dann nur beim Gesundheitstest im Medizinallabor“, lautete die Antwort.
„Dann war das dein Leitton! Der Leitton, auf den sie dich unbemerkt die ganze Zeit über geprägt haben.“
„Hattest du auch so einen Leitton?“
Tessa nickte. „Sehr wahrscheinlich.“
„Glaubst du, daß er dich heute noch beeinflussen könnte?“
„Ich weiß nicht … Ich fürchte, ja.“
„Ziemlich unheimlich.“ Tyra vergewisserte sich durch einen raschen Blick zurück, ob sie ungebetene Zuhörer hatten. Doch alle Passagiere interessierten sich nur für die attraktive Aussicht.
„Sie dirigieren und inszenieren vermutlich alles per Hypnosefernsteuerung“, nahm Tessa das Thema wieder auf.
Tyra runzelte die Augenbrauen. „Inszenieren?“
„Ja, die Unfälle! Den Alibi-Unfall, verstehst du, den du erlebst, überlebst, damit sie ihre Chirurgen einsetzen können. Ich glaube, daß sie jeder Finalistin einen Unfall nach Maß verpassen. Die Tiefenprägung unseres Psychoprofils dient ihnen dabei als Ausgangsmuster.“
Tyra neigte sich unwillkürlich dem Ohr der Freundin zu. „Und bei alledem brauchen sie sich nicht einmal um Geheimhaltung bemühen. Suggestopädie steht offiziell auf dem Lehrplan. Nach außen sieht alles stinknormal und harmlos aus. Das ist das Heimtückische daran.“
Tessa bekam einen harten Zug um den Mund. „Die alten Transplantations-Gruselstories sind passe, weil jetzt alles unbemerkt
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