Science Fiction Anthologie Band 4 - Die Vierziger Jahre 2
war so sehr mit Schlausein beschäftigt, daß sie erst jetzt krabbeln gelernt hat. Der Arzt hat gesagt, daß die Entwicklung bei diesen Fällen immer ziemlich sprunghaft ist …
Fronttelegramm
1. Dezember 1953 08:47 LK59F
Absender: Tech. Lt. H. Marvell
X47-016 GCNY
An: Mrs. H. Marvell
Apt. K-17
504 E. 19 St.
N.Y. N.Y.
Ab morgen eine Woche Urlaub Stop Ankunft Flughafen zehn Uhr fünf Stop Nicht abholen Stop Dein Hank
Margaret ließ das Wasser aus der Kinderwanne auslaufen, bis es nur noch wenige Zentimeter hoch stand und lockerte ihren Griff um das zappelnde Baby.
„Ich glaube, es war fast besser, als du noch in deiner Entwicklung zurückgeblieben warst, junge Frau“, teilte sie ihrer Tochter glücklich mit. „Du darfst in der Kinderwanne nicht krabbeln, weißt du.“
„Warum darf ich dann nicht in die Badewanne?“ Allmählich hatte Margaret sich nun an die Sprechkünste ihres Kindes gewöhnt, doch bisweilen überraschte es sie immer noch. Rasch legte sie die widerstrebende Masse aus rosa Fleisch in ein Handtuch und begann sie abzurubbeln.
„Weil du zu klein bist, und dein Kopf ist sehr weich, und
Badewannen sind sehr hart.“
„Ach. Also, wann darf ich in die Badewanne?“ „Wenn dein Kopf außen so hart ist wie innen, kluges
Kindchen.“
Sie langte nach einem Haufen frischer Wäsche. „Ich verstehe einfach nicht“, fügte sie hinzu, „warum ein Kind mit deiner Intelligenz nicht lernen kann, die Windeln so zu halten, wie andere Kinder auch. Seit Jahrhunderten schon braucht man sie, und zwar mit vollkommen zufriedenstellenden Resultaten.“
Das Kind verzichtete auf eine Antwort; zu oft hatte es dasselbe schon zu hören bekommen. Es wartete geduldig, bis Maggie es, ein sauberes und duftendes Bündel, in das weißgestrichene Kinderbettchen gelegt hatte. Dann bedachte es seine Mutter mit einem Lächeln, bei dem Margaret jedesmal unwillkürlich an den ersten goldenen Sonnenstrahl, der in eine rosige Dämmerung bricht, denken mußte. Sie dachte an Hanks Reaktion auf die Farbbilder von seiner schönen Tochter, und wie sie das dachte, machte sie sich klar, wie spät es schon war.
„Schlaf jetzt, Kindchen. Du weißt, wenn du aufwachst, ist dein Vati hier.“
„Warum?“ fragte sich der Verstand einer Vierjährigen und versuchte in einem aussichtslosen Kampf den zehn Monate alten Körper wach zu halten.
Margaret ging in die Küche und stellte die Küchenuhr für den Braten. Sie prüfte kurz den Tisch und holte ihre Sachen aus dem Schrank; alles neu: Kleid, Schuhe, Unterrock. Gekauft vor Wochen schon und aufgespart für den Tag, an dem Hanks Telegramm käme. Sie hielt einen Augenblick lang inne, um die Zeitung aus dem Bildschirmtextgerät zu ziehen, ging dann mit ihren Kleidern und der Zeitung ins Badezimmer und senkte sich behutsam in den dampfenden Luxus eines Schaumbades.
Ohne besonderes Interesse sah sie die Zeitung durch.
Heute wenigstens brauchte sie die Inland-Nachrichten nicht zu lesen. Da war ein Artikel von einem Genetiker. Demselben. Mutationen, sagte er, wären überproportional im Ansteigen begriffen. Für rezessive Vererbung war es noch zu früh. Denn selbst die ersten Mutierten, die im Jahre 1946 und 1947 in der Nähe von Nagasaki und Hiroshima geboren wurden, waren zur Fortpflanzung noch zu jung. Mein Kind aber ist in Ordnung. Anscheinend war es so, daß ein bestimmter Grad durch die Atomexplosionen freigesetzter Strahlung für das Ganze verantwortlich war. Mein Baby ist gesund, frühreif, aber normal. Wenn man den ersten Mutationen in Japan mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, meinte er …
Da war doch diese kleine Zeitungsnotiz im Frühjahr ‘47. Das war damals, als Hank von Oak Ridge wegging. „Nur zwei bis drei Prozent derer, die des Kindesmordes schuldig sind, werden heute in Japan überführt und bestraft …“ Aber mein Kind ist in Ordnung! Sie war schon fertig angezogen und frisiert, wollte gerade noch ein wenig Rouge auflegen, als es an der Tür schellte. Sie flog zur Tür, und ehe die Glocke noch verhallt war, hörte sie, zum erstenmal seit achtzehn Monaten, das fast vergessene Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloß dreht.
„Hank!“
„Maggie!“
Und dann wußte sie nicht, was sie sagen sollte. So viele Tage, so viele Monate, in denen sich kleine Neuigkeiten angesammelt hatten, so vieles, das sie ihm sagen wollte, und jetzt stand sie nur da und starrte die Khakiuniform an und das blasse Gesicht eines Fremden. Mit dem Finger der Erinnerung fuhr sie seine Züge
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