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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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ausgeliefert. Früher, als es darum ging, den Markt aufzureißen, hatte Reisz Niedrigpreise angesetzt und die Leute dazu gebracht, ihre natürlichen Körper aufzugeben. Nun stiegen die Preise für Neuware und Reparatur schwindelerregend an, und wer nicht mithielt, dem drohten Siechtum und Tod. So einfach wie früher war das nicht mehr, daß man sein Automobil einfach für einige Monate stillegte, bis man wieder, durch Überstunden und Schwarzarbeit, im finanziellen Aufwind stand. Wer hier paßte, den stießen die Öfen der Krematorien bald fauchend durch ihre Schornsteine aus.
    Und die Konkurrenz? Der technische Stand war so hoch, die Einrichtungen so kostspielig, daß es keine Mitbewerber auf dem Markt mehr gab, die wenigen, die am Anfang mit Reisz hatten bieten wollen, waren gleich vom Markt verschwunden oder durch die künstliche Niedrigpreispolitik an der Wand zerdrückt. Einige clevere Leute hatten immerhin versucht, ins Diagnosegeschäft einzusteigen, doch hatte es dann Pannen gegeben; da war ein Kunde elektrisch geröstet worden, ein anderer wurde unabsichtlich punktiert; so lizensierte der Staat das Geschäft, und die einzige Lizenz fiel an die Helfende Hand und damit an Jerry Reisz.
     
    VI
    Ich habe viel von Robert ferngehalten. Viel von der unterbewußten Propaganda, die man im Schlaf in das Bewußtsein der Menschen einsickern läßt, viel von den Tricks aus der Verzauberten Wand, die Werbespots zwischen Filmen versteckt, so schnell, daß das menschliche Auge sie nicht bewußt wahrzunehmen vermag, und viel von bestimmten Drogen, die die Menschen gefügig, und das heißt allemal kaufbereit, machen. Dennoch sind Roberts skeptische und kritische Gedanken seine eigene Leistung, ich spanne nur den Schirm über ihm auf, damit der heiße Regen ihn nicht verbrennt, halte ihm die Schutzmaske vors Gesicht, damit er nicht zuviel Opium schluckt.
    Sanft, temperiert las ich ihm die Nachrichten vor, folgte ihm mit meiner Stimme auf seinem Weg vom Geborgenheitsraum zum Frischeparadies, wo ich die Dusche schäumend über ihm ergoß, zum Schlemmergarten, in dem ich ein geschmacksicheres Menü bereitete, aus synthetics freilich, oder sollte ich nicht besser sagen: Gott sei Dank! Denn Robert wußte ja nicht, was die Reichen verschlangen am Mittagstisch! So wandelte er durch seine vollelektronische Komfortwohnung, und ich auf seinen Fersen und immer bereit und zur Hand.
    Das Hochdruckgebiet der letzten Tage war nach Südosten gerückt, Bremen vorübergehend vom Smog-Alarm befreit, die Luftverschmutzung erreichte kaum dreißig Einheitsgrad, für Lizenz Gelb war das Auto frei, das betraf ihn auch. Robert warf, ein Glas Wasser, in dem sich Präparate zischend auflösten, in der Hand, einen schweifenden Blick über Bremen, zäh tropfte der Verkehr in den Adern der Stadt. Hier oben klang der Straßenlärm wie das Flehen eines Riesen, den sie gebunden und dann unwürdig zur Schau gestellt hatten. In kleinen Schlucken trank Robert die bittere Notwendigkeit, Resistenzpräparate gegen den gefürchteten Hautausschlag an der frischen, nein, an der freien Luft.
    Sie blendeten, obligatorisch, die neue Werbung der Helfenden Hand ins Programm. Sie ist die große Arbeitgeberin der Welt, brach alle Umsatzrekorde der Geschichte und beschäftigt in ihren Großlabors die Creme der Intelligenz.
    Jerry Reisz, der geniale Geschäftsmann, hatte vor Jahrzehnten aus sieben Weltfirmen – Algenkultur, Chemie, Atom, Medizin, Elektronik, Raumfahrt, Automobil –, deren gemeinsames Kennzeichen die Marktführung in ihrer Branche war, den Superkonzern der Helfenden Hand zusammengebaut. Heute findet man keine von Menschen bewohnte Siedlung auf der Erde, dem Mars oder Saturn, wo man Reisz nicht mit einem gewaltigen Denkmal geehrt hätte. Als er im Alter von 140 Jahren starb, war der Trauerzug in New York zwanzig Kilometer lang, Luftaufnahmen aus der Zeit beweisen, daß die Straßen schwarz von Menschen waren, wie ein riesiges Ameisenvolk, das sich auf die Wanderschaft über den Atlantik macht und sich, todesverachtend, über die Leiber der Ertrunkenen stürzt. Tausende wurden zu Tode gequetscht beim Run nach dem Grabmal und dem Reisz-Monument, für das man die Freiheitsstatue abgerissen hat. Welche Ironie, daß ausgerechnet Reisz, dem die Menschheit so viel verdankt, nicht mehr in den Genuß der zweiten Generation künstlicher Körper kam, er starb nur wenige Jahre zu früh.
     
    VII
    Robert war schon an der Tür, ich preßte die Schließkontakte zusammen, als

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