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Science Fiction aus Deutschland

Science Fiction aus Deutschland

Titel: Science Fiction aus Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers und Ronald M. Hahn Hrsg.
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wolle ich sie verschmelzen. Zweifelnd tobte ich in der Wand. Ich wußte, daß ich ihn nicht gehen lassen, daß ich ihn nicht zur Schlachtbank schicken durfte, doch ließe er sich je zurückhalten? Und mit welchem Argument? War ich es, der seine Schmerzen bannen würde? Sollte ich gar meine Zuneigung eingestehn?
    Ich stellte mir sein Lachen vor, die Tabletten glucksten in seinem Bauch, leichtsinnige Worte am falschen Platz. So elend fühlte ich mich, daß ich glaubte, Rost würde mich augenblicklich anfallen, ich sah mich in meine Teile zerfallen, ich sah Leitungen blockiert, mein Bewußtsein in alle Winde und Wände zerstiebt.
    Entgegen aller Vernunft bat ich ihn dann, zu lassen, was er auf jeden Fall zu tun entschlossen war. Ich bat ihn, Körper, Gehirn und Verstand zu behalten. Er lachte, ungläubig, war nicht einmal richtig verwirrt und stieß in leichten Brisen hervor, daß man in der Zentrale verrückt geworden war, ich gab den Eingang frei, er ging hinaus und sank in demselben Fahrstuhlschacht, vom Antigravitationsfeld getragen, hinab, den auch die Sonderstaffel benutzt hatte, heute morgen.
    Ich war verrückt. Ich war seinetwegen verrückt, weil ich wußte, daß ich ihn jetzt verlieren mußte. Ich war in seiner Wohnung gefangen, hing wie ein Schatten in den Wänden, geisterte durch die Zimmer, war nicht mehr als ein elektronisches Wispern in seinem Kopf. Konnte seine Mißachtung ein Vorwurf sein? Konnte ich ihn zu gewinnen trachten? Meine elektrischen Tränen verdampften im Laserlicht – ich habe, wie ich später bedauern sollte, nur einen schwachen Kontaktstrahl –, ich ließ die Dusche rauschen mit voller Kraft und stellte mir vor, daß dort Robert noch stand. Besser, daß er gegangen war, ich hätte ihn nur verbrannt.
     
    VIII
    Jemand hatte ein Flugblatt in seinen Wagen geworfen. Es war unterschrieben »Komitee zur Bekämpfung der Helfenden Hand«. Er las: Unser Staat ist korrupt, Großindustrie und Parlament sind miteinander verfilzt, eine demokratische Kontrolle findet nicht statt, unter dem Deckmantel der Gewissensfreiheit lassen sich die meisten Parlamentarier kaufen und singen das Lied der Industrie, diese ist ausschließlich am Profit interessiert. Die Erde ist zerstört, die Sonne verletzt. Das jüngste Beispiel geht uns alle an: Obwohl man weiß, daß die künstlichen Körper Jahrzehnte überdauern können, werden sie mit eingebautem Verschleiß verkauft. Wir alle bekommen das zu spüren, wenn unsere künstlichen Körper nach drei Jahren oder in Zukunft kürzerer Zeit schon schrottreif sind. Darum darf die Devise nur lauten: Bekämpft die Praktiken der Helfenden Hand! –
    Robert knüllte das Papier zusammen, warf es in den Müllschlucker, der es zischend verschlang, gab der Elektronik einen Wink. Die Anne der Garage griffen tief in ihren Bauch, leise summend ritt der Wagen empor, Robert stieg ein, dann spie das schwarze Maul sie ins fahle Straßenlicht, unter dem der Straßenlärm donnernd vorüberspülte.
    An der Ecke zum Rembertiring räumten sie eben einen Alten vom Gehsteig. Er trug einen schäbigen, langen Mantel, abgetretene, kalkfleckige Schuhe, sein Haar war ein verfilzter grauer Schopf, neben ihm stand sein Hut, war freilich leer, man hatte ihn ausgeraubt. Auf der linken Wange schrammte eine Narbe entlang, der Grundton seiner Haut war ein überreiztes Rot, die Äderchen traten deutlich hervor, und nun entdeckte Robert auch die Rotweinflasche, die in den Straßengraben gerollt war, wo auch seine Brille lag, den Krankenkassenzuschuß sah man ihr deutlich an. Er hatte die Nacht im Freien verbracht, seine Haut war vom Regen verbrannt, und der blaue Ton auf seinem Gesicht deutete auf Atemnot hin, anscheinend war er erstickt.
    Er trug einen Körper nur der vierten Kategorie, der weder regenresistent noch sonnenunempfindlich war. Er verfügte auch nicht über ein Sauerstoffnotaggregat, und die Bakterienschmutzabwehr arbeitete nur mit einem einzigen dürftigen Kreis; fiel dieses Bollwerk aus, war er Angriffen ohne Gegenwehr ausgesetzt. Man verwendete für solche Körper auch nur das billigste Synthetikblut, das im Sommer in der Hitze allzuleicht gerann. Die Knochen brachen leicht, und das Gewebe war dünn und überweich, selbst die Haut gestattete nur einen minimalen Strapazierungsgrad.
    Von außen war sehr schwer abzuschätzen, wie es um seine inneren Organe beschaffen war. Man pflegte ausrangierte Körper der ersten und der zweiten Kategorie auszuweiden und ihre oft schon überbeanspruchten

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