Scriptum
bestätigte Reilly, dass
bisher von keinem der möglichen Einreiseflughäfen eineentsprechende Meldung gekommen war. Anschließend gingen die beiden logistische Vorkehrungen und alle möglichen Protokolle
durch. Das FBI besaß in der Türkei kein Auslandsbüro. Die nächsten Agenten befanden sich derzeit in Athen, wo sie der dortigen
Polizei bei den Ermittlungen zu einem kürzlich verübten Autobombenanschlag halfen. Die Beziehungen zu der türkischen Regierung
konnte man aufgrund des Irak-Konflikts bestenfalls als angespannt bezeichnen. Ertugrul versicherte Reilly dennoch, er könne
notfalls die Polizei in Dalaman um Unterstützung bitten. Ein Angebot, das Reilly dankend ablehnte. Er zog es vor, sich nicht
mit Sprachbarrieren und bürokratischen Hürden herumschlagen zu müssen. Stattdessen bat er Ertugrul, die einheimische Polizei
lediglich über seine Anwesenheit auf ihrem Grund und Boden zu informieren. Er würde engen Kontakt halten und Verstärkung anfordern,
falls es erforderlich würde. Allerdings schien ihm diese Sache eher auf einen Alleingang hinauszulaufen.
Außerdem hatte Reilly die Verzögerung genutzt, um sich passendere Kleidung zu beschaffen. Die abgelegten Sachen hatte er in
einem kleinen Rucksack verstaut, zusammen mit den Papieren, die Ertugrul ihm anstelle eines Passes gegeben hatte, und einem
ebenfalls von dem türkischen Kollegen zur Verfügung gestellten Iridium-Satellitentelefon, das Reilly über das regierungseigene
EMS S-Gateway in Hawaii von praktisch jedem Punkt auf dem Planeten mit der Außenwelt verband.
Für die Pistole, die er ebenfalls im Gepäck trug – ein Browning Hi-Power –, hatte Ertugrul freundlicherweise Reservemagazine und Munition beschafft.
Tess hatte unterdessen bei ihrer Tante angerufen und mitKim und Eileen gesprochen. Es war ihr schwer gefallen, sie vermisste Kim noch mehr, wenn sie ihre Stimme am Telefon hörte,
auch wenn sie sich damit zu trösten versuchte, dass ihre Tochter dort in Arizona eine herrliche Zeit verlebte. Sehr viel heikler
war jedoch das Gespräch mit ihrer Mutter gewesen, der sie hatte mitteilen müssen, was sie vorhatte. In dem verzweifelten Bemühen,
Eileen zu beruhigen, hatte Tess sogar erwähnt, dass Reilly bei ihr war, woraufhin sich ihre Mutter nur umso größere Sorgen
machte. Warum begleitete ein FB I-Agent Tess, wenn sie sich doch angeblich gar nicht in Gefahr begab, hatte sie wissen wollen. Tess hatte eine Erklärung gestammelt
– er sei nur als unabhängiger Experte dabei – und anschließend eine Lautsprecherdurchsage als Vorwand genutzt, das Gespräch
zu beenden. Nachdem sie das Handy abgeschaltet hatte, fühlte sie sich elend. Doch ihr war klar, dass es sich gar nicht vermeiden
ließ, ihre Mutter zu beunruhigen, wenn sie ihr nicht verschweigen wollte, dass sie überhaupt verreist war.
Den fahlgesichtigen Mann, mit dem Tess wenig später zusammengestoßen war, hatte sie kaum wahrgenommen. Ein paar Minuten nach
dem heiklen Anruf hatte sie sich einen Weg durch den belebten Terminal zur Toilette gebahnt, als er sie so heftig anrempelte,
dass ihr die Reisetasche entglitt, die sie hinter sich herzog. Doch gleich darauf hatte er ihr das Gepäck höflich wieder aufgehoben
und sich vergewissert, dass alles in Ordnung war, ehe er seinen Weg fortsetzte.
Allerdings war ihr der Geruch kalten Zigarettenrauchs aufgefallen, aber soweit sie sich erinnerte, rauchten hier die meisten
Männer. Was sie nicht bemerkte, war das kleine schwarze Plättchen, nicht größer als eine Geldmünze, das er neben einer der
Rollen am Boden der Tasche befestigt hatte.
Nun zog Tess ihre Tasche wieder sicher hinter sich her, während sie mit Reilly durch den stickigen, von Menschen wimmelnden
Terminal zum Schalter der Autovermietung ging. Ertugrul hatte hastig etwas Ausrüstung und Proviant für sie beschafft, unter
anderem einen Kasten Wasserflaschen, zwei Schlafsäcke und ein Nylonzelt. Wenig später saßen die beiden in einem leicht verschrammten
Mitsubishi Pajero mit Allradantrieb und folgten den jahrhundertealten Spuren einer kleinen Gruppe schiffbrüchiger Ritter.
Während Reilly den Wagen fuhr, versuchte Tess auf dem Beifahrersitz mit Hilfe diverser Karten und Notizen, Al-Idrisis Reiseroute
nachzuvollziehen. Zugleich verglich sie die Landschaft mit Details aus Aimards Brief.
Als sie die Küste hinter sich ließen, wich die dichte Bebauung mit flachen Apartmenthäusern rasch einer
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