Scriptum
Flughafen in New York …»
«Ja?»
«Warum haben Sie mich da eigentlich in den Flieger steigen lassen? Sie hätten mich festnehmen können, nicht wahr? Warum haben
Sie es nicht getan?»
Der Ansatz eines Lächelns und der Glanz in ihren Augen verrieten ihm, worauf sie hinauswollte. Sie machte den Anfang, was
ihm eigentlich ganz lieb war; ihm selbst fiel es immer schwer, den ersten Schritt zu tun. Vorerst wich er jedoch mit einem
unverbindlichen «Ich weiß es selbst nicht» aus, ehe er hinzufügte: «Mir war klar, Sie würden einen Heidenaufstand machen und
wahrscheinlich den ganzen Flughafen zusammenbrüllen, wenn ich Sie einkassierte.»
Sie rückte näher. «Verflixt gut erkannt, genau das hätte ich getan.»
Er spürte, wie sein Herzschlag sich ein wenig beschleunigte, ließ sich ebenfalls in eine halb liegende Position sinken und
beugte sich ein wenig zu ihr vor. «Außerdem … habe ich mir gedacht, wollen wir doch mal sehen, ob sie so schlau ist, wie sie sich einbildet.»
Tess beugte sich noch weiter zu ihm hinüber, bis ihre Gesichter nur mehr Zentimeter voneinander entfernt waren, und ließ den
Blick über seine Züge gleiten. Das verschmitzte Lächeln wurde breiter. «Wie großherzig von Ihnen.»
Der Himmel, der Wald, das Lagerfeuer … alles passte. Ihre Lippen schienen eine Wärme auszustrahlen, die seine magnetisch anzog, und für einen kurzen Moment war
alles andere unwichtig. Der Rest der Welt hörte einfach auf zu existieren.
«Was soll ich sagen – ich bin eben ein großherziger Typ. Vor allem habe ich ein Herz für …
Pilger
.»
Ihre Lippen unvermindert dicht vor den seinen, flüsterte sie: «Und nun bist du also hier, um mich auf meiner Pilgerfahrtzu beschützen … du bist sozusagen mein ganz persönlicher Tempelritter?»
«So etwas in der Art.»
«Weißt du», bemerkte sie gespielt nachdenklich, «gemäß dem offiziellen Templer-Handbuch müsstest du eigentlich die ganze Nacht
lang Wache stehen, während die Pilger schlafen.»
«Bist du sicher?»
«Du kannst es ja nachlesen. Kapitel sechs, Abschnitt vier. Glaubst du, du schaffst das?»
«Kein Thema. Das ist schließlich mein Job als Templer.»
Sie lächelte. Und in diesem Moment beugte er sich noch ein wenig weiter vor und küsste sie.
Er rückte näher, und der Kuss wurde leidenschaftlicher. Sie verschmolzen miteinander, gingen ganz und gar in dem Augenblick
auf, ohne an irgendetwas zu denken, ließen sich von diesem erhabenen Rausch verzehren, der alle Sinne durchströmte – und dann
drängte sich etwas dazwischen. Ein vertrautes Gefühl, als ob etwas an ihm zerrte und er in eine tiefe Düsternis sank. Er sah
das entsetzte Gesicht seiner Mutter vor sich, einen Mann in einem Sessel, dessen Arme an den Seiten leblos herabhingen, eine
Pistole auf dem Teppich und die Blutspritzer hinter ihm an der Wand.
Er wich zurück.
«Was ist?», fragte Tess träumerisch.
Reilly richtete sich widerstrebend auf. Seine Augen blickten fern, wie gehetzt. «Das … das ist keine gute Idee.»
Tess richtete sich ein wenig auf, fuhr ihm mit einer Hand durchs Haar und zog seinen Kopf wieder zu sich herab. «Oh, da möchte
ich aber widersprechen. Ich halte es für eine ausgezeichneteIdee.» Sie wollte ihn wieder küssen, doch sobald ihre Lippen sich berührten, wich er erneut zurück.
«Nein, wirklich.»
Tess stützte sich auf einen Ellenbogen. Für einen Moment fehlten ihr die Worte. Er schaute sie nur zerknirscht an.
«O mein Gott. Du meinst es ernst.» Sie warf ihm einen schrägen Blick zu und grinste schelmisch. «Das hat jetzt aber nichts
mit Enthaltsamkeit während der Fastenzeit zu tun, oder?»
«Nicht so direkt.»
«Okay, aber was ist es dann? Du bist nicht verheiratet. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du nicht schwul bist – wobei …» Sie zuckte die Schultern. «Und als ich das letzte Mal einen Blick in den Spiegel geworfen habe, fand ich, dass ich eigentlich
verdammt gut aussehe. Also, was ist los?»
Er rang nach Worten. Es passierte ihm nicht zum ersten Mal, dass ihn diese Gefühle überrumpelten, aber es war schon lange
nicht mehr vorgekommen, weil er lange nicht mehr so für jemanden empfunden hatte. «Es ist schwer zu erklären.»
«Versuch es.»
Es fiel ihm nicht leicht. «Ich weiß, wir kennen uns noch kaum, und vielleicht denke ich absolut voreilig, aber ich mag dich
wirklich gern, und … es gibt Dinge, die du über mich wissen musst, auch wenn …» Er
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