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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Tess,
     wobei sich sein Blick ein wenig aufhellte. «Ich bin wohl nicht der einzige Fan von Al-Idrisi. Sie können sich vorstellen,
     dass ich unbedingt der Erste sein wollte, aber   …» Er legteden unförmigen Beutel auf den Tisch und schaute ihn ehrfürchtig und in Gedanken versunken an.
    «Trotzdem bin ich froh, dass Sie gekommen sind. Ich weiß nicht, ob die Experten vor Ort das so zügig erledigt hätten.»
    Seine Finger glitten über die Rundung des Beutels, betasteten sie sanft, als könnten sie spüren, welche Geheimnisse sich darin
     verbargen. Er wollte die Lasche öffnen, hielt aber unvermittelt inne und wandte sich an Tess. «Wir sollten das gemeinsam tun.
     In mancher Hinsicht ist es ebenso sehr Ihre Entdeckung wie meine.»
    Tess schien mit sich zu ringen, Reilly nickte ihr ermunternd zu. Sie machte einen zögernden Schritt nach vorn, worauf sich
     der drahtige Mann mit dem Gewehr vor ihr aufbaute. Vance stieß rasch etwas auf Türkisch hervor. Tess wurde vorbeigelassen
     und trat neben Vance an den Tisch.
    «Hoffentlich war nicht alles umsonst», sagte er und hob die Lasche des Beutels.
    Er griff mit beiden Händen hinein, zog behutsam einen Gegenstand, der in geöltes Pergament eingewickelt war, hervor und legte
     ihn auf den Tisch. Stirnrunzelnd packte er ihn aus. Zum Vorschein kam eine verzierte Messingscheibe von etwa fünfundzwanzig
     Zentimetern Durchmesser.
    Am Rand markierten winzige regelmäßige Kerben eine filigrane Gradeinteilung, in der Mitte war ein Zeiger mit zwei Spitzen
     angebracht, unter dem sich weitere kleine Zeiger befanden.
    Reillys Blick wanderte von der Scheibe zu dem großen Türken, der ebenfalls nervös hin und her schaute, während er mühsam seine
     Neugier zügelte. Reilly war schon auf dem Sprung, doch der große Mann wurde misstrauisch und hob drohend das Gewehr. Reilly
     wich zurück. Auch Rüstem hatteseine Bewegung gespürt, auf seiner Kopfhaut glänzten Schweißperlen.
    Tess starrte wie gebannt auf das Gerät. «Was ist das?»
    Vance untersuchte es sorgfältig. «Ein Astrolabium», sagte er voller Bewunderung, bevor er ihre Verwirrung bemerkte. «Ein nautisches
     Instrument, eine Art primitiver Sextant. Damals kannte man keine Längengrade», erklärte er, und der nun folgende Vortrag erinnerte
     daran, dass Vance eine Laufbahn als Hochschullehrer hinter sich hatte.
    Das Astrolabium oder «der himmlische Rechenschieber» galt als eines der frühesten wissenschaftlichen Instrumente und war seit
     etwa 150 vor Christus bekannt. Es wurde ursprünglich von griechischen Gelehrten in Alexandria entwickelt, hatte im Zuge der
     Eroberung Spaniens durch die Mauren aber in ganz Europa Verbreitung gefunden. Arabische Astronomen benutzten es, um den Stand
     der Sonne und damit die Tageszeit zu berechnen. Im fünfzehnten Jahrhundert waren Astrolabien zu einem begehrten nautischen
     Instrument geworden, mit dem portugiesische Seeleute den jeweiligen Breitengrad bestimmten. Dem Astrolabium verdankte auch
     Prinz Heinrich der Seefahrer, der Sohn König Johanns   I. von Portugal, seinen Beinamen. Seine Flotte hielt den Gebrauch viele Jahre lang geheim und konnte damit als einzige auf
     offener See navigieren. Im Zeitalter der spanischen Forschungsreisen, die 1492 in der Entdeckung der Neuen Welt durch Christoph
     Kolumbus gipfelten, war es ein unschätzbares Hilfsmittel.
    Kein Zufall, dass Prinz Heinrich bis zu seinem Tod im Jahre 1460   Großmeister des Christusordens war. Dieser portugiesische Militärorden führte seine Ursprünge auf niemand anderen als die
     Tempelritter zurück.
    Vance untersuchte das Astrolabium genauer, drehte es behutsam und betrachtete die Gravuren am Außenrand. «Äußerst bemerkenswert.
     Sollte es tatsächlich von den Templern stammen, wäre es über hundert Jahre älter als alle bekannten Instrumente dieser Bauart.»
     Dann zog er noch etwas aus dem Beutel: ein in Leder gewickeltes Päckchen.
    Es enthielt ein kleines Stück Pergament.
    Reilly erkannte die Buchstaben sofort. Es waren die gleichen wie auf dem verschlüsselten Manuskript, das sie hergeführt hatte,
     nur schien es diesmal Abstände zwischen den Wörtern zu geben.
    Dieser Text war nicht verschlüsselt.
    Tess hatte es auch bemerkt. «Das ist von Aimard», rief sie aus, doch Vance hörte nicht zu. In das Pergament vertieft, schritt
     er davon. Es herrschte gespannte Stille. Als er zurückkam, wirkte er ein wenig entmutigt. «Es sieht aus, als wären wir noch
     nicht ganz am Ziel»,

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