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Scriptum

Scriptum

Titel: Scriptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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was der Beutel enthielt,
     nach all den Jahren noch unversehrt war. Mit einem letzten Blick auf den Brunnen dachte sie an Aimard und jene schicksalhafte
     Nacht. Nicht in seinen wildesten Träumen hätte ein Mensch sich damals ausmalen können, dass ein künstlicher Staudamm siebenhundertJahre später das Tal überfluten und das Geheimversteck in dreißig Metern Tiefe versinken würde.
    Ihre Blicke begegneten sich. Trotz der verzerrenden Taucherbrille konnte Reilly ihre Begeisterung deutlich erkennen. Tess
     schaute auf den Druckmesser. Die Flaschen waren fast leer. Sie deutete nach oben. Reilly nickte, und das langsame Auftauchen
     begann. Sie durften nicht schneller aufsteigen als die kleinsten Blasen aus ihren Atemreglern.
    Das Wasser um sie herum wurde noch klarer, die aufgewirbelten Staubwolken blieben in der Tiefe zurück. Es schien ewig zu dauern,
     bis endlich Sonnenstrahlen durch das Wasser zu ihnen drangen. Tess blickte hoch und erstarrte. Etwas war anders als zuvor.
     Sie ergriff Reillys Arm. Seine Muskeln waren angespannt, er hatte es auch bemerkt.
    Über ihnen schwebten jetzt die Schatten von zwei Booten.
    Sie mussten auftauchen, der Druck in den Flaschen sank rapide. Tess biss die Zähne zusammen. Sie ahnte, wer es war. Und als
     sie die Wasseroberfläche durchbrachen, erkannte sie, dass sie Recht gehabt hatte.
    Rüstem war noch an Ort und Stelle, schaute sie aber bittend und verängstigt an. Im zweiten Boot saß William Vance – in seiner
     stillen Freude glich er einem Professor, dessen Lieblingsstudent ihm Ehre macht.
    Aber er hielt eine Schrotflinte in der Hand.

KAPITEL 60
    Während er Tess in Rüstems Boot half, schaute Reilly kurz zum Ufer. Neben ihrem Geländewagen parkte jetzt ein brauner Toyota
     Pick-up. In der Nähe standen zwei Männer, doch Okan, der Ingenieur, war nicht dabei. Der eine war viel größer und massiger,
     der andere zwar drahtig und ungefähr so groß wie Okan, aber ohne dessen dichtes schwarzes Haar. Zudem trugen beide Schusswaffen,
     Jagdgewehre, wie es schien, ganz sicher war sich Reilly jedoch nicht. Vermutlich hatte Vance ein paar einheimische Gorillas
     angeheuert. Ob sie schon den Pajero durchsucht und den Browning gefunden hatten, der im Fach unter dem Sitz lag?
    Reilly musterte Vance, den er zum ersten Mal direkt vor sich sah. Dieser Kerl steckte also hinter der ganzen Schweinerei.
     Er dachte an die ermordeten Reiter in New York und versuchte, sein Gegenüber mit den Ereignissen zusammenzubringen, die Tess
     und ihn an diesen entlegenen Ort geführt hatten. Er wollte die Denkweise des Professors verstehen. Die Tatsache, dass er FB I-Agent war, hatte Vance nicht im Geringsten beeindruckt. Angesichts seiner ruhigen, beherrschten Art fragte sich Reilly, wie aus
     diesem gebildeten Mann und angesehenen Wissenschaftler ein Krimineller auf der Flucht hatte werden können, der ihm jetzt mit
     einer Schrotflinte auf dem Schoß gegenübersaß. Wie konnte jemand mitVance’ Hintergrund ein solches Überfallkommando zusammenstellen und dann seine Helfershelfer nacheinander und mit solcher
     Effizienz und Rücksichtslosigkeit ermorden?
    Es passte einfach nicht zusammen.
    Er bemerkte, dass Vance wie gebannt auf den Beutel starrte, den Tess in Händen hielt.
    «Vorsicht», sagte er, als sie sich ins Boot setzte, «wir wollen es doch nicht beschädigen. Nicht nach der ganzen Mühe.» Er
     streckte die Hand aus und sagte seltsam verhalten: «Bitte.»
    Tess schaute Reilly unschlüssig an. Vance brachte langsam die Schrotflinte in Position, bis sie auf die beiden zeigte. Sein
     Gesichtsausdruck war fast mitleidig, doch der Blick blieb unerbittlich. Tess stand auf und gab ihm den Beutel.
    Vance legte ihn zwischen seine Füße und deutete mit der Flinte zum Ufer. «Erst mal ans Ufer zurück, was?»
    Als sie aus den Booten stiegen, stellte Reilly fest, dass die Männer tatsächlich Jagdgewehre trugen. Der Größere, ein ungehobelter
     Kerl mit baumdickem Hals und finsterem Blick, richtete die Waffe auf sie und führte sie von den Booten weg. Das Gewehr sah
     nicht neu, aber bedrohlich aus. Eine merkwürdige Waffe für einen Gorilla. Vermutlich hatte Vance die erstbesten Leute genommen,
     was sich durchaus als Vorteil erweisen konnte. Vor allem, wenn die Pistole noch im Pajero lag. Nun aber standen sie erst einmal
     hilflos in ihren tropfenden Taucheranzügen da.
    Vance entdeckte einen alten, klapprigen Tisch in Rüstems Garten, an den er seine Schrotflinte lehnte. Er schaute zu

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