Scriptum
Horde, die
nur noch primitiven Instinkten gehorchte; schreiende Männer und Frauen stießen und drängten einander rücksichtslos zur Seite,
um sich vor den heranstürmenden Pferden in Sicherheit zu bringen.
Drei der Reiter ritten ungerührt durch die panische Menge, ließen ihre Schwerter in die Vitrinen krachen, trampelten über
Glasscherben und Holzsplitter, beschädigte und zerstörte Ausstellungsstücke hinweg.
Tess wurde beiseite gestoßen, während Scharen von Gästen verzweifelt durch die Türen ins Freie zu entkommen versuchten. Hektisch
sah sie sich in der Halle um.
Kim – Mutter – wo waren sie?
Sie blickte suchend umher, konnte sie aber nirgends entdecken. Weiter rechts von ihr drehten und wendeten sich die Pferde,
wobei weitere Schätze zu Bruch gingen, die ihnen im Weg standen. Besucher wurden in Vitrinen und gegen die Wände geschleudert,
die riesige Halle war von Schmerzensschreien und Gekreisch erfüllt. Mittendrinentdeckte Tess auch Clive Edmondson, der brutal zur Seite gestoßen wurde, als eins der Pferde sich plötzlich wild aufbäumte.
Die Pferde schnaubten laut mit aufgerissenen Nüstern, Schaum troff ihnen aus den Mäulern an den Trensen vorbei. Ihre Reiter
langten nach unten in die zerbrochenen Vitrinen, rafften funkelnde Ausstellungsstücke an sich und stopften sie in Säcke, die
an den Sätteln befestigt waren. An den Türen versperrten die ins Freie drängenden Menschen der Polizei den Weg ins Innere,
die gegen den Ansturm der panischen Menge machtlos war.
Als eins der Pferde sich hektisch umdrehte, stieß es mit der Flanke gegen eine Statue der Jungfrau Maria, die zu Boden kippte
und zerschellte. Das Pferd trampelte auf den Scherben herum, zerstampfte mit seinen Hufen die betenden Hände der Madonna.
Ein prachtvoller Gobelin, den Gäste in ihrer wilden Flucht von seinem Gestell gerissen hatten, wurde von Menschen und Pferden
zertrampelt. Innerhalb von Sekunden waren Tausende sorgsam ausgeführter Stiche unwiederbringlich zerfetzt. Eine Vitrine kippte
um, ihr Glas ging klirrend in Stücke, und eine weiß-goldene Mitra fiel heraus, die in dem wilden Aufruhr achtlos mit Füßen
getreten wurde. Der dazugehörige Umhang segelte kurz wie ein fliegender Teppich durch die Luft, bevor er das gleiche Schicksal
erlitt.
Tess lief los, um den Pferden nicht in die Quere zu kommen, und spähte den Gang hinunter, wo sie auf halber Höhe den vierten
Reiter entdeckte. Ganz hinten am Ende des Ganges versuchten viele Menschen in andere Teile des Museums zu entkommen. Verzweifelt
hielt sie Ausschau nach ihrer Mutter und Tochter.
Wo zum Teufel sind sie nur? Geht es ihnen gut?
Angestrengt suchte sie ihre Gesichter in der Menschenmenge, vermochte sie aber nirgendwo zu entdecken.
Ein lauter Befehlston ließ Tess herumfahren. Sie sah, dass es der Polizei endlich gelungen war, an der flüchtenden Menge vorbei
in das Museum zu gelangen. Mit gezogenen Waffen, laut brüllend, um den Tumult zu übertönen, stürmten die Beamten auf einen
der drei Reiter zu, der unter seinen Umhang griff und eine kleine, besonders gefährlich aussehende Pistole zog. Tess kauerte
sich blitzschnell hin und hielt sich schützend die Arme über den Kopf, bekam jedoch noch mit, wie der Mann zu feuern begann
und den ganzen Saal mit einem wahren Kugelhagel überzog. Zahlreiche Personen stürzten oder warfen sich zu Boden, darunter
alle Polizisten. Die Glasscherben und zertrümmerten Vitrinen waren jetzt mit Blut bespritzt.
Tess hockte mit wild hämmerndem Herzen da und versuchte, sich ganz still zu verhalten, obwohl eine innere Stimme ihr gebieterisch
wegzulaufen befahl. Auch die beiden anderen Reiter begannen jetzt, mit den gleichen automatischen Waffen wie ihr mörderischer
Komplize herumzuballern. Von den Museumswänden abprallende Kugeln steigerten den Lärm und die allgemeine Panik noch. Eins
der Pferde bäumte sich unversehens auf, und in der Verwirrung jagte sein Reiter eine Salve von Schüssen hinauf in eine Wand
und in die Decke. Sofort prasselten Teile der Stuckverzierung auf die Köpfe der am Boden kauernden schreienden Gäste nieder.
Tess wagte einen Blick hinter ihrer Vitrine hervor und überlegte fieberhaft, welchen Fluchtweg sie nehmen sollte. Drei Vitrinenreihen
rechts von ihr entdeckte sie einen Durchgang in eine andere Galerie. Sie nahm all ihren Mut zusammen und hastete darauf zu.
An der zweiten Reihe angelangt, sah sie, wie der vierte Ritter direkt auf sie
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