SdG 04 - Die eisige Zeit
gemacht.
Der Kommandant war erschöpft. Die Schmerzen in seinem Bein ließen ihn kaum schlafen, und die Tage waren voll gestopft mit Fragen zum Nachschub und zur Marschordnung sowie einem unablässigen Schwarm von Boten, die Berichte und Befehle überbrachten und mit neuen davoneilten. Er war ruhelos und wollte die Reise über einen halben Kontinent endlich beginnen, und wenn nur, um Antworten auf die tausend Fragen zu bekommen, was sie wohl erwarten mochte.
Der Schnelle Ben saß schweigend neben Elster; das Pferd des Magiers bewegte sich unruhig unter seinem Reiter.
»Dein Pferd hat deinen Geisteszustand mitbekommen, Ben«, sagte der Kommandant.
»Hm.«
»Du fragst dich, wann ich dich wohl gehen lassen werde, damit du hinter Paran und den Brückenverbrennern herjagen und sie einholen und ein bisschen Abstand zwischen dich und Kallor legen kannst. Du bist außerdem wild darauf, so weit wie möglich von Silberfuchs wegzukommen.«
Bei der letzten Bemerkung zuckte der Schnelle Ben zusammen, dann seufzte er. »Stimmt. Ich habe es wohl nicht geschafft, mein Unbehagen zu verbergen – zumindest nicht vor dir, das ist klar. Das Mädchen ist fünf Jahre älter geworden, oder sogar noch mehr, seit wir angekommen sind, Elster – ich habe heute Morgen nach der Mhybe gesehen. Korlat tut, was sie kann, genau wie die Schulterfrauen der Rhivi, doch Silberfuchs hat der alten Frau fast ihre gesamte Lebenskraft genommen – der Vermummte allein weiß, was sie überhaupt noch am Leben erhält. Der Gedanke an die T’lan Imass, die sich versammeln, macht mich auch nicht gerade glücklich. Und dann ist da noch Anomander Rake – er will alles über mich wissen – «
»Hat er noch einmal seine Fühler in deine Richtung ausgestreckt?«
»Noch nicht, aber warum ihn in Versuchung führen?«
»Ich brauche dich noch ein Weilchen hier«, sagte Elster. »Bleib bei meinem Gefolge – wir werden, so gut es geht, Abstand zum Sohn der Dunkelheit halten. Haben diese Söldner in Capustan deinen Köder schon geschluckt?«
»Sie spielen damit.«
»Dann warten wir noch eine weitere Woche. Wenn bis dahin nichts passiert, kannst du verschwinden.«
»Ja, Kommandant.«
»Und warum«, fuhr Elster gedehnt fort, »erzählst du mir jetzt nicht, was du sonst noch am Laufen hast, Ben?«
Der Magier blinzelte unschuldig. »Kommandant?«
»Du hast jeden Tempel und jeden Seher in Fahl aufgesucht, Magier. Du hast ein kleines Vermögen ausgegeben, um dir die Drachenkarten legen zu lassen. Beim Vermummten, mir wurde sogar berichtet, dass du in der Morgendämmerung eine Ziege auf einem Hügelgrab geopfert hast – was, beim Abgrund, hast du da vorgehabt, Ben?«
»Schon gut«, murmelte der Magier. »Diese Sache mit der Ziege riecht nach Verzweiflung. Ich gebe es zu, ich habe mich hinreißen lassen.«
»Und was haben die verlorenen Geister in dem Hügelgrab dir erzählt?«
»Nichts. Da, äh, da waren keine Geister.«
Elster blickte sein Gegenüber aus zusammengekniffenen Augen an. »Da waren keine Geister? Aber es war doch ein Rhivi-Grab, oder?«
»Stimmt, eines der wenigen, die es in dieser Gegend noch gibt. Es ist, äh, ausgeräumt worden. Erst kürzlich.«
»Ausgeräumt?«
»Irgendjemand oder irgendetwas hat die Geister … eingesammelt, Kommandant. Ich habe noch nie gehört, dass so etwas schon einmal passiert ist. Das ist das Merkwürdigste überhaupt. Nicht eine einzige Seele ist in diesen Hügeln zurückgeblieben. Ich meine – wo sind sie alle ? «
»Du versuchst das Thema zu wechseln, Ben. Netter Versuch.«
Der Magier machte ein finsteres Gesicht. »Ich stelle ein paar Nachforschungen an. Nichts, womit ich nicht umgehen könnte, und es wird auch mit nichts anderem kollidieren. Außerdem – wir sind jetzt offiziell auf dem Marsch, richtig? Und mitten im Nirgendwo kann ich eh nicht besonders viel tun. Außerdem bin ich tatsächlich abgelenkt worden, Kommandant. Diese geraubten Geister … irgendjemand hat sie geholt, und das hat mich neugierig gemacht.«
»Wenn du etwas herausfindest, wirst du es mich wissen lassen, nicht wahr?«
»Aber natürlich, Kommandant.«
Elster biss die Zähne zusammen und sagte nichts mehr. Ich kenne dich schon zu lange, Ben. Du bist über irgendetwas gestolpert, und das lässt dich wie ein Wiesel mit dem Schwanz zwischen den Beinen durch die Gegend rasen.
Du hast eine Ziege geopfert, beim Vermummten!
Auf der Straße, die von Fahl wegführte, bewegte sich Dujeks Heer – fast zehntausend Veteranen des
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