SdG 04 - Die eisige Zeit
erlauben, dich zu töten, Mhybe. Wenn es denn Hass sein muss, der dich antreibt, dann soll es eben so sein. Du bist jetzt in der Obhut – unter der Vormundschaft – der Tiste Andii.«
Die Rhivi sackte geschlagen in sich zusammen. Sie versuchte, Worte für die Gefühle in ihrem Innern zu formen, doch die, die ihr einfielen, ließen sie kalt.
Selbstmitleid. So tief bin ich gesunken …
In Ordnung, Korlat, fürs Erste hast du gewonnen.
»Brand liegt im Sterben.«
Caladan Bruth und Anomander Rake standen allein im Kommandozelt, die Überreste der angespannten Atmosphäre schwirrten noch immer um sie herum. Nach den Geräuschen zu schließen, die von draußen, von der Lichtung hereindrangen, schien es dem Magier namens Schneller Ben gelungen zu sein, die gewaltige hölzerne Karte auf den Boden herabzuziehen, und jetzt fand dort draußen eine Diskussion statt, was denn nun mit dem Ding geschehen solle.
Der Sohn der Dunkelheit zog seine gepanzerten Handschuhe aus und ließ sie auf den Tisch fallen, ehe er sich dem Kriegsherrn zuwandte. »Abgesehen von dem einen, was du nicht tun darfst, kannst du denn nichts unternehmen?«
Bruth schüttelte den Kopf. »Die alte Wahl, mein Freund – und es bleibt nur die eine Möglichkeit übrig, so, wie es immer gewesen ist. Ich verkörpere Tennes – das Gewirr der Göttin –, und was sie bedrängt, greift auch mich an. Gewiss, ich könnte den, der sie infiziert hat, zerschmettern …«
»Der Verkrüppelte Gott«, murmelte Rake und blieb starr stehen. »Er hat eine Ewigkeit damit verbracht, seinen Groll zu nähren – er wird keine Gnade kennen, Bruth. Dies ist eine alte Geschichte. Wir waren uns einig – du, ich, die Königin der Träume, der Vermummte –, wir waren uns alle einig …«
Der Kriegsherr verzog das breite Gesicht, und einen Augenblick lang sah es fast so aus, als wäre er den Tränen nahe. Dann schüttelte er sich wie ein Bär und drehte sich um. »Fast zwölfhundert Jahre … diese Last …«
»Und wenn sie stirbt?«
Bruth schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ihr Gewirr stirbt ganz bestimmt, zumindest das, während es gleichzeitig dem Verkrüppelten Gott als Weg in alle anderen Gewirre dient … und dann sterben sie alle.«
»Und mit ihnen die Magie.«
Der Kriegsherr nickte. Einen Augenblick später holte er tief Luft und richtete sich auf. »Glaubst du, dass das so schlecht wäre?«
Rake schnaubte. »Du gehst davon aus, dass die Vernichtung damit enden würde. Es scheint, als würde der Verkrüppelte Gott gewinnen, egal, wie du dich entscheidest.«
»So scheint es.«
»Doch du hast deine Entscheidung bereits getroffen, und dadurch schenkst du dieser Welt und allen auf ihr noch ein paar Generationen lang das Leben – «
»Das Leben und den Tod, Kriege und Gemetzel. Träume, Hoffnungen und tragische Folgen – «
»Das sind keine angemessenen Bahnen für deine Gedanken, Caladan.« Rake trat näher an den Kriegsherrn heran. »Du hast alles getan – und tust es auch weiterhin –, was man von dir verlangen könnte. Damals waren wir bei dir, um dir zu helfen, die Last zu tragen, aber es sieht so aus, als hätten wir – und das gilt für uns alle – uns immer wieder ablenken lassen, als hätten wir uns nur noch unseren eigenen Interessen gewidmet … und dich im Stich gelassen …«
»Hör auf damit, Anomander. Das nützt uns jetzt nichts. Es gibt dringendere Angelegenheiten, mit denen wir uns bei einer dieser seltenen Gelegenheiten, unter vier Augen miteinander zu sprechen, beschäftigen sollten.«
Rakes breiter Mund verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Das ist nur allzu wahr.« Er warf einen Blick zum Zelteingang. »Was das betrifft, was gerade da draußen geschehen ist …« Er blickte erneut Bruth an. »In Anbetracht der Infektion von Tennes – war deine Herausforderung ein Bluff?«
Der Kriegsherr lächelte und entblößte dabei seine spitz zugefeilten Zähne. »Zum Teil, aber nicht ganz. Das Problem ist nicht meine Fähigkeit, Macht zu entfesseln, sondern die Natur dieser Macht. Von Gift durchtränkt, voller Chaos …«
»Was bedeutet, dass sie möglicherweise noch wilder sein könnte als dein üblicher Mahlstrom? Das ist in der Tat beunruhigend, Bruth. Weiß Kallor darüber Bescheid?«
»Nein.«
Rake grunzte. »Du solltest dafür sorgen, dass das auch so bleibt.«
»Genau«, grollte der Kriegsherr. »Also solltest du das nächste Mal ein bisschen Zurückhaltung üben, Rake.«
Der Tiste Andii trat an den Tisch und schenkte
Weitere Kostenlose Bücher