SdG 04 - Die eisige Zeit
Genabackis-Feldzugs – auf Caladan Bruths riesige Armee zu, um sich ihr anzuschließen. Der Marsch hatte begonnen; sie zogen einem Krieg entgegen, bei dem sie es mit einem Feind zu tun bekommen würden, den sie noch nie gesehen hatten und von dem sie so gut wie nichts wussten.
Kapitel Sechs
Wo immer sie einherschreiten,
hinterlassen sie blutige Spuren …
Kulburats Vision
Horal Thume (geb. 1134)
M
an erreichte das Sonnenuntergangstor von Saltoan über einen breiten Brückenbogen, der den Kanal überspannte. Beides, die Brücke und der Kanal, mussten dringend ausgebessert werden; der Mörtel war bröckelig, und ein Spinnennetz aus breiten, grasbewachsenen Spalten zeigte sich überall dort, wo die Fundamente nachgegeben hatten.
Saltoan war eine der ältesten Städte der Weitblick-Ebene. Es hatte sich einst am Ufer des Catlin erhoben und war vom Handel quer über den Kontinent reich geworden, bis sich der Fluss im Verlauf eines einzigen, regenreichen Frühlings ein neues Bett gesucht hatte. Der Bau von Korselans Kanal hatte, genau wie das Anlegen von vier tiefen Seen – zwei davon im alten Flussbett – mit Liegeplätzen, einen Versuch dargestellt, die lukrative Verbindung mit dem Fluss, dem alten Handelsweg, wiederherzustellen. Diese Bemühungen waren nur zu einem sehr kleinen Teil von Erfolg gekrönt gewesen, und in den vierhundert Jahren, die seither verstrichen waren, hatte sich der Niedergang langsam aber unerbittlich fortgesetzt.
Grantls Gesichtsausdruck war bereits düster gewesen, als er sein Pferd auf den Damm gelenkt hatte, und er wurde noch finsterer, als er die niedrigen, dicken Mauern von Saltoan erblickte. Braune Streifen zogen sich an den abgeschrägten Seiten hinab. Der Karawanenführer konnte das ungeklärte Abwasser schon jetzt riechen. Viele Gestalten bevölkerten die Befestigungsanlagen, doch nur die wenigsten davon waren Mitglieder der Stadtwache oder Soldaten. Die Stadt hatte ihre berühmte Gardekavallerie nach Norden geschickt, um sich Caladan Bruths Streitkräften im Krieg gegen das malazanische Imperium anzuschließen. Die Soldaten, die noch hier waren, waren noch nicht einmal das Fett auf ihren Stiefeln wert.
Er warf einen Blick zurück, als der Wagen seines Herrn klappernd auf den Damm fuhr. Harllo saß auf dem Kutschbock und winkte, während Stonny neben ihm die Zügel hielt, und Grantl konnte sehen, wie sich ihre Lippen bewegten, um einen Strom von Flüchen und Klagen loszulassen. Harllos Winken hörte schnell auf.
Grantl richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Sonnenuntergangstor. Es waren keine Wachen in Sicht, und es herrschte auch nicht gerade reger Verkehr. Die großen hölzernen Torflügel standen weit offen; sie sahen aus, als wären sie schon sehr lange nicht mehr geschlossen worden. Die Stimmung des Karawanenführers wurde noch schlechter. Er hielt sein Pferd an, bis der Wagen zu ihm aufgeschlossen hatte.
»Wir fahren einfach gerade durch, richtig?«, fragte Stonny. »Einfach gerade durch bis zum Sonnenaufgangstor, richtig?«
»So habe ich es empfohlen«, sagte Grantl.
»Was hat es für einen Sinn, dass wir über langjährige Erfahrung verfügen, wenn der Herr unsere Ratschläge nicht beachtet? Beantworte mir diese Frage, Grantl!«
Der Karawanenführer zuckte nur die Schultern. Keruli konnte zweifellos jedes Wort hören, und zweifellos wusste Stonny das auch.
Sie näherten sich dem Torbogen des Eingangs. Die Straße dahinter verengte sich schnell zu einer gewundenen, im Zwielicht liegenden Gasse. Die Düsternis hatte etwas mit der Bauweise der Gebäude zu tun, die sie säumten – ihre oberen Stockwerke sprangen immer weiter vor, bis sie sich schließlich fast berührten. Grantl setzte sich wieder vor den Wagen. Dürre Hühner flatterten vor ihnen auf, aber die fetten schwarzen Ratten in den Rinnsteinen unterbrachen ihr Festmahl aus verfaulendem Abfall nur einen kurzen Augenblick, um die Räder des Wagens vorbeirumpeln zu sehen.
»Gleich schaben wir an den Häusern entlang«, maulte Harllo.
»Wenn wir es durch die Krummgesicht-Passage schaffen, ist alles in Ordnung.«
»Ja, aber das ist schon ein ziemlich großes ›wenn‹, Grantl. An diesen Wänden hängt ’ne Menge Zeug, das leicht als Schmiere dienen könnte …«
Voraus verengte sich die Gasse noch weiter bis zu der Engstelle, die als Krummgesicht-Passage bezeichnet wurde. Auf beiden Seiten hatten die Wagen zahlloser Händler tiefe Furchen in den Wänden hinterlassen. Die Pflastersteine
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