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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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waren von zerbrochenen Speichen und zerfetzten Beschlägen übersät. Die Bewohner dieser Ecke waren die reinsten Wrackräuber, wie Grantl nur zu gut wusste. Jeder Wagen, der in dem Durchgang stecken blieb, war freies Bergungsgut, und die Einheimischen hatten nicht die geringsten Probleme damit, die Schwerter zu schwingen, wenn irgendjemand gegen ihre Ansprüche Einwände erhob. Grantl hatte hier nur ein einziges Mal Blut vergossen, vor ungefähr sechs, sieben Jahren. Eine ziemlich üble Nacht, erinnerte er sich. Er und seine Wachen hatten in jenen dunklen, fürchterlichen Stunden eine halbe Mietskaserne voll Halsabschneidern und Schlägern entvölkert, bis es ihnen gelungen war, den Wagen rückwärts wieder aus der Passage zu fahren, die Räder abzunehmen, Rollen unterzulegen und ihn von Hand hindurchzuschieben.
    Er wollte nicht, dass sich so etwas wiederholte.
    Die Naben schabten ein paar Mal an den Wänden entlang, als sie durch den Engpass fuhren, doch dann, noch während Stonny fluchte und Harllo, der sich unter der feuchten Wäsche wegduckte, die von einer Wäscheleine hing, wild grinste, waren sie durch und auf dem Platz dahinter.
    Wus Kammerplatz war nicht durch wohl überlegte Absicht geschaffen worden. Die offene Fläche verdankte ihr Dasein dem zufälligen Zusammentreffen von dreizehn Straßen und Gassen unterschiedlicher Breite. Das Gasthaus, zu dem sie einst alle geführt hatten, gab es schon lange nicht mehr; es war vor einem Jahrhundert oder so abgefackelt worden, und dort, wo es einst gestanden hatte, befand sich jetzt eine breite, unebene gepflasterte Fläche, die unerklärlicherweise den Namen Wus Kammer erhalten hatte.
    »Nimm die Mucosin-Straße, Stonny«, wies Grantl seine Kameradin an und deutete auf die breite Straße auf der Ostseite des Platzes.
    »Ich erinnere mich noch ziemlich gut«, grollte sie.
    »Bei den Göttern, was für ein Gestank!«
    Eine Horde Kinder hatte ihre Ankunft bemerkt, und sie verfolgten den Wagen jetzt wie flugunfähige Geier, ihre schmutzigen, pockennarbigen Gesichter verschlossen und viel zu ernst. Niemand sagte ein Wort.
    Grantl, der immer noch vorneweg ritt, lenkte sein Pferd in die Mucosin-Straße. Er sah ein paar Gesichter aus schmutzigen Fenstern spähen, sonst jedoch war niemand unterwegs. Hier nicht … und weiter voraus auch nicht. Das ist nicht gut.
    »Karawanenführer«, rief Harllo.
    Grantl drehte sich nicht um. »Ja?«
    »Die Kinder … sie sind gerade verschwunden.«
    »Stimmt.« Er lockerte seine Gadrobi-Macheten in ihren Scheiden. »Lade deine Armbrust, Harllo.«
    »Schon geschehen.«
    Ich weiß, aber warum sollte ich es nicht laut und deutlich verkünden.
    Zwanzig Schritte voraus traten drei Gestalten auf die Straße. Grantl blinzelte. Er erkannte die große Frau in der Mitte. »Hallo, Nektara. Wie ich sehe, hast du dein Revier vergrößert.«
    Die Frau mit dem narbigen Gesicht lächelte. »Aber das ist ja Grantl. Und Harllo. Und wer noch? Oh, sollte das etwa Stonny Menackis sein? Zweifellos genauso unfreundlich wie immer, meine Liebe, obwohl ich dir immer noch mein Herz zu Füßen lege.«
    »Das ist nicht besonders klug«, sagte Stonny gedehnt. »Ich trete niemals leicht auf.«
    Nektaras Lächeln wurde breiter. »Und du lässt mein Herz rasen, Geliebte. Jedes Mal.«
    »Wie hoch ist die Maut?«, fragte Grantl, während er sein Pferd zehn Schritte vor der Frau und ihren beiden schweigenden Leibwächtern anhielt.
    Nektaras gezupfte Augenbrauen schoben sich in die Höhe. »Maut? Nein, dieses Mal geht es nicht um Maut. Wir sind immer noch auf Garnos Besitz – man hat uns freies Geleit gewährt. Wir sind nur hier, um euch zu begleiten.«
    »Uns begleiten?«
    Das Klappern der Läden des Wagens ließ den Karawanenführer herumfahren. Er sah die Hand seines Herrn auftauchen und ihn lässig heranwinken.
    Grantl stieg vom Pferd. Er ging zur Seitentür des Wagens, spähte ins Innere und erblickte Kerulis rundes, blasses Gesicht.
    »Karawanenführer, wir sind hier, um uns mit den … Herrschern dieser Stadt zu treffen.«
    »Mit dem König und seinem Rat? Warum – «
    Ein leises Lachen unterbrach ihn. »Nein, nein. Mit Saltoans wirklichen Herrschern. Unter hohen Kosten und durch außergewöhnliche Verhandlungen ist ein Treffen aller Bezirksherren und -herrinnen einberufen worden, zu denen ich heute Abend sprechen werde. Ihr habt die Erlaubnis, das gerade angebotene Geleit zu akzeptieren. Ich versichere Euch, es ist alles in Ordnung.«
    »Warum habt Ihr mir das

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