SdG 04 - Die eisige Zeit
verstanden? Denk nicht einmal daran, sie anzugreifen.«
Aus dem Innern des Wagens erklang Kerulis Stimme. »Und, was noch bitterer ist, meine Freunde – ich fürchte, wir werden diese schrecklichen Männer und ihre Furcht erregenden Fähigkeiten schon bald brauchen.«
Grantl drehte sich mit finsterer Miene zum Wagen um. Der Fensterladen über der Tür war einen schmalen Spalt weit geöffnet worden. »Wer oder was sind diese untoten Jäger, Herr? Wisst Ihr es?«
Es dauerte geraume Zeit, bis Keruli antwortete. »Ich habe … einen Verdacht. Wie auch immer, sie spinnen Fäden aus Macht über das Land, wie ein Netz, und sie können jedes Zucken darin spüren. Wir werden nicht unentdeckt an ihnen vorbeikommen – «
»Dann lasst uns umkehren«, schnappte Stonny. »Jetzt gleich, bevor es zu spät ist.«
»Aber es ist schon zu spät«, erwiderte Keruli. »Diese untoten Diener überqueren weiterhin den Fluss von Süden her, alle im Dienste des Pannionischen Sehers. Sie rücken immer näher an Saltoan heran. Tatsächlich glaube ich, dass mittlerweile mehr von ihnen hinter uns sind als zwischen hier und Capustan.«
Beim Vermummten, wie verdammt günstig, Keruli.
»Wir müssen ein befristetes Bündnis mit diesen Nekromanten schließen«, fuhr der Mann im Innern des Wagens fort, »bis wir Capustan erreicht haben.«
»Nun«, sagte Grantl, »für sie ist das ganz sicher der einzig richtige Weg.«
»Sie sind praktisch denkende Männer, trotz all ihrer anderen … Fehler.«
»Die Barghast werden nicht mit ihnen zusammen reisen«, stieß Hetan wütend hervor.
»Ich glaube nicht, dass uns etwas anderes übrig bleibt«, sagte Grantl seufzend. »Und das gilt auch für dich und deine Brüder, Hetan. Was hat es für einen Sinn, diese untoten Jäger zu finden, wenn ihr dann von ihnen in Stücke gerissen werdet?«
»Du glaubst, wir sind auf einen solchen Kampf nicht vorbereitet? Wir haben lange im Knochenkreis gestanden, Karawanenführer, während sämtliche Schamanen der versammelten Clans getanzt und so das Gewebe der Macht gewoben haben. Wir waren lange im Knochenkreis.«
»Drei Tage und drei Nächte«, grollte Cafal.
Kein Wunder, dass sie mir letzte Nacht beinahe die Brust aufgerissen hat.
Keruli meldete sich noch einmal zu Wort. »Es könnte sich dennoch als ungenügend erweisen, wenn eure Aktivitäten die Aufmerksamkeit des Pannionischen Sehers auf sich ziehen. Karawanenführer, wie lange brauchen wir noch bis Capustan?«
Das wisst Ihr doch genauso gut wie ich. »Vier Tage, Herr.«
»Hetan, du und deine Brüder, ihr könnt euch für eine so kurze Zeit doch bestimmt einen gewissen Gleichmut aneignen. Wir verstehen eure Empörung gut. Die Schändung eurer geheiligten Vorfahren ist eine Beleidigung, die nicht leicht hinzunehmen ist. Aber pflegt nicht euer eigenes Volk in dieser Hinsicht einen gewissen Pragmatismus? Die eingravierten Schutzzauber, die Stockschlingen? Betrachtet diese Situation hier als eine Erweiterung solcher Notwendigkeiten …«
Hetan spuckte aus, drehte sich um. »Es ist so, wie Ihr sagt«, willigte sie einen Augenblick später ein. »Eine Notwendigkeit. Nun gut.«
Grantl kehrte zu Bauchelain und den anderen zurück. Die beiden Zauberer hockten auf dem Boden, in ihrer Mitte die zerborstene Achse. Der Geruch nach geschmolzenem Eisen stieg auf.
»Unsere Reparaturarbeiten werden nicht lange dauern, Karawanenführer«, murmelte Bauchelain.
»Gut. Ihr habt gesagt, dass sich da draußen drei von diesen Kreaturen herumtreiben – wie weit sind sie weg?«
»Unser kleiner schamanischer Freund hält mit den Jägern Schritt. Sie sind weniger als eine Länge entfernt, und ich versichere Euch, sie können diese Entfernung – wenn sie wollen – binnen weniger Hundert Herzschläge zurücklegen. Wir werden nicht viel Zeit haben – aber ich glaube, es wird reichen, um die Verteidigung zu organisieren.«
»Warum reist Ihr eigentlich nach Capustan?«
Der Zauberer blickte auf, zog eine Augenbraue hoch. »Ohne besonderen Grund. Es liegt in unserer Natur, herumzuwandern. Nachdem wir an der Westküste dieses Kontinents angekommen waren, haben wir unsere Blicke gen Osten gerichtet. Und Capustan ist so ziemlich der östlichste Punkt, den man erreichen kann, richtig?«
»So ziemlich, nehme ich an. Das Land ragt weiter südlich, hinter Elingarth, noch weiter nach Osten, aber die Königreiche und Stadtstaaten da unten sind kaum mehr als Piraten- und Banditennester. Außerdem müsstet Ihr die Pannionische Domäne
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