SdG 04 - Die eisige Zeit
zu.
Toc stand nachdenklich daneben und kratzte sich am Kinn. »Ein alter Freund, Tool? Oder will das Tier, dass du ihm einen deiner Knochen zum Spielen gibst?«
Der untote Krieger starrte ihn nur schweigend an.
»Das war ein Scherz«, beschwichtigte Toc schulterzuckend. »Oder zumindest der armselige Versuch, einen zu machen. Ich hätte nicht gedacht, dass man einen T’lan Imass beleidigen kann.« Genauer gesagt, ich hoffe, dass das so ist. Bei den Göttern, ich und meine große Klappe »Ich habe nachgedacht«, erwiderte Tool langsam. »Dieses Tier ist ein Ay, und die haben wenig Interesse an Knochen. Ay bevorzugen Fleisch – warmes Fleisch, wenn möglich.«
Toc grunzte. »Verstehe.«
»Das war ein Scherz«, sagte Tool einen Augenblick später.
»Na klar.« Hm, vielleicht wird das alles ja doch nicht so schlimm. Die Überraschungen hören zumindest nicht auf.
Der T’lan Imass streckte einen Arm aus und legte dem Ay die Spitzen seiner knochigen Finger an die breite Stirn. Das Tier stand vollkommen still. »Ein alter Freund? Ja, wir haben solche Tiere in unsere Stämme aufgenommen. Es war die einzige Möglichkeit, wenn wir nicht zusehen wollten, wie sie verhungerten. Du musst wissen, dass wir dafür verantwortlich waren, dass sie hungerten.«
»Ihr wart dafür verantwortlich? Weil ihr alles leer gejagt habt? Ich dachte immer, eure Art wäre eins mit der Natur gewesen. All diese Geister, all diese Sühnerituale – «
»Toc der Jüngere«, unterbrach ihn Tool, »machst du dich über mich lustig oder über deine eigene Unwissenheit? Noch nicht einmal die Flechten der Tundra leben in Frieden. Alles ist Kampf, alles ist Krieg. Diejenigen, die verlieren, verschwinden.«
»Und du sagst, wir sind nicht anders – «
»Wir sind anders, Soldat. Wir besitzen das Privileg, wählen zu können. Wir verfügen über die Gabe der Voraussicht. Auch wenn wir uns oft zu spät klar machen, dass wir diese Verantwortung haben …« Der T’lan Imass neigte den Kopf und musterte den Ay vor sich – und außerdem, wie es schien, seine eigene skelettartige Hand, die immer noch auf dem Schädel des Tiers ruhte.
»Baaljagg erwartet Eure Befehle, lieber untoter Krieger«, sagte die Frau mit lieblicher, singender Stimme, als sie sie erreichte. »Wie niedlich. Garath, willst du unseren ausgedörrten Gast nicht auch begrüßen?« Ihr Blick kreuzte sich mit dem Tocs, und sie lächelte. »Garath könnte Euren Kameraden allerdings auch für wert halten, ihn zu vergraben – wäre das nicht lustig?«
»Kurzfristig«, stimmte Toc ihr zu. »Ihr sprecht Daru, doch Ihr tragt eine Telaba aus dem Reich der Sieben Städte …«
Sie zog die Brauen hoch. »Tue ich das? Oh, was für ein Durcheinander! Denkt nur, mein Herr, Ihr sprecht Daru und seid doch aus dem Reich dieses verklemmten Weibes – wie war noch gleich ihr Name?«
»Imperatrix Laseen. Das malazanische Imperium.« Und woher habt Ihr das gewusst? Ich trage keine Uniform …
Sie lächelte. »Genau.«
»Ich bin Toc der Jüngere, und dieser T’lan Imass hier trägt den Namen Tool.«
»Angenehm. Meine Güte, ist es heiß hier draußen, findet Ihr nicht auch? Kommt mit, wir wollen uns in den Jaghut-Turm zurückziehen. Garath, hör auf, an dem T’lan Imass rumzuschnüffeln und weck die Bediensteten auf.«
Toc schaute dem stämmigen Hund hinterher, der Richtung Turm davontrottete. Man betrat das Bauwerk, wie der Kundschafter jetzt feststellte, eigentlich über einen Balkon, wahrscheinlich im ersten Stock – noch ein weiterer Hinweis auf die Tiefe, in die das geschmolzene Gras hinunterreichte. »Dieser Ort sieht nicht besonders wohnlich aus«, stellte er fest.
»Das Aussehen kann täuschen«, murmelte sie und blickte ihn erneut mit einem Lächeln an, das sein Herz einen Schlag aussetzen ließ.
»Habt Ihr auch einen Namen?«, fragte Toc sie, als sie sich in Bewegung setzten.
»Das ist Lady Missgunst«, sagte Tool. »Die Tochter von Draconus – demjenigen, der das Schwert Dragnipur geschmiedet hat und damit ermordet wurde … von Anomander Rake, dem Lord von Mondbrut, dem derzeitigen Besitzer des Schwerts. Draconus hatte zwei Töchter, so glaubt man, die er Missgunst und Bosheit nannte–«
»Beim Atem des Vermummten, das kann nicht dein Ernst sein«, murmelte Toc.
»Die Namen haben zweifellos auch ihn amüsiert«, fuhr der T’lan Imass fort.
»Also wirklich«, sagte Lady Missgunst seufzend, »jetzt habt Ihr mir den ganzen Spaß verdorben. Sind wir uns schon einmal
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