SdG 04 - Die eisige Zeit
verteidigen. Beide waren, was Körpergröße und Statur anbelangte, Senus genaues Ebenbild, und sie waren ähnlich bewaffnet. Die einzigen Unterschiede zwischen ihnen waren ihre Masken. Während Senus emaillierte Gesichtsbedeckung mit dunklen Mustern übersät war, fand sich diese Art der Verzierung bei den anderen beiden weniger häufig. Die eine unterschied sich nicht allzu sehr von Senus Maske, die dritte hingegen wies nur zwei Striche auf, jeweils einen auf einer glänzenden weißen Wange. Die Augen, die durch die Schlitze dieser Maske starrten, waren so hart wie Obsidian-Splitter.
Der Seguleh mit den zwei Kratzern versteifte sich, als er den T’lan Imass erblickte, und machte einen Schritt nach vorn.
»Also wirklich!«, zischte Lady Missgunst. »Herausforderungen sind verboten! Wenn dieser Unsinn nicht sofort aufhört, verliere ich noch die Beherrschung …«
Alle drei Seguleh zuckten einen Schritt zurück.
»Ja«, sagte die Frau, »so ist es schon viel besser.« Sie wandte sich an Toc. »Stillt Euren Hunger und Euren Durst, junger Mann. In dem Krug ist saltoanischer Weißwein, angenehm gekühlt.«
Toc konnte den Blick nicht von dem Seguleh mit der kaum verzierten Maske losreißen.
»Wenn pausenloses Anstarren eine Herausforderung darstellt«, meinte Lady Missgunst leise, »würde ich um des lieben Friedens – und nicht zuletzt um Eures Lebens – willen vorschlagen, dass Ihr von Eurer derzeitigen Beschäftigung Abstand nehmt, Toc der Jüngere.«
Er ächzte in plötzlichem Erschrecken, riss den Blick von dem Mann los. »Ein Punkt für Euch, Lady. Es ist nur, dass ich noch nie von einem … ach was soll’s, es ist nicht weiter wichtig.« Er trat an den Tisch, streckte die Hand nach dem Krug aus.
Hinter ihm entstand plötzlich Bewegung, gefolgt von dem Geräusch eines Körpers, der über den Boden schlitterte und mit einem widerwärtigen dumpfen Klatschen gegen die Wand prallte. Toc wirbelte herum und sah Tool, der – das Schwert hoch erhoben – den beiden noch übrigen Seguleh gegenüberstand. Senu lag zusammengekrümmt zehn Schritte entfernt; er war entweder bewusstlos oder tot. Er hatte seine beiden Schwerter halb aus den Scheiden gezogen.
Neben Tool stand der Ay namens Baaljagg und starrte schwanzwedelnd den dahingestreckten Seguleh an.
Lady Missgunst warf den beiden anderen Dienern einen eisigen Blick zu. »In Anbetracht der Tatsache, dass meine Befehle sich als nicht ausreichend erwiesen haben, werde ich alle zukünftigen Auseinandersetzungen in die offensichtlich fähigen Hände des T’lan Imass legen.« Sie drehte sich zu Tool um. »Ist Senu tot?«
»Nein. Ich habe die flache Seite meiner Klinge benutzt, Lady. Ich hatte nicht den Wunsch, einen Eurer Diener zu töten.«
»Angesichts der Umstände war das sehr rücksichtsvoll von Euch.«
Toc legte eine zitternde Hand um den Henkel des Kruges. »Soll ich Euch auch etwas einschenken, Lady Missgunst?«
Sie warf ihm einen Blick zu, zog eine Braue hoch und lächelte schließlich. »Das ist eine wundervolle Idee, Toc der Jüngere. Es ist ganz eindeutig an Euch und mir, hier für so etwas wie zivilisiertes Benehmen zu sorgen.«
»Was habt Ihr über den Riss herausgefunden?«, fragte Tool, an die Lady gewandt.
Sie musterte ihn, einen Becher voll Wein in der Hand. »Oh, ich verstehe, Ihr seid bei allen Angelegenheiten so schnell und direkt. Er ist überbrückt worden. Von einer sterblichen Seele. Ich bin mir sicher, dass Euch das ebenfalls klar ist. Im Mittelpunkt meiner Bemühungen stand allerdings der Versuch, die Identität des Gewirrs selbst herauszufinden. Es ist anders als alle anderen. Das Portal hat fast etwas … Mechanisches.«
Der Riss? Das muss dieser rote Rahmen in der Luft sein. Oh.
»Ihr habt die Gräber der K’Chain Che’Malle untersucht, Lady?«
Sie rümpfte die Nase. »Nur kurz. Sie sind alle leer, und das schon seit einiger Zeit. Seit Jahrzehnten.«
Tool neigte den Kopf. Ein leises Knirschen war zu hören. »Erst seit Jahrzehnten?«
»Das ist in der Tat eine unangenehme Einzelheit. Ich glaube, die Matrone hatte bemerkenswerte Schwierigkeiten, sich zu befreien, und hat dann noch eine Menge Zeit damit verbracht, sich von ihren Mühen zu erholen, bevor sie ihre Kinder befreien konnte. Sie und ihre Brut haben in der vergrabenen Stadt im Nordwesten weitere Anstrengungen unternommen, die allerdings unvollendet geblieben sind, als hätten die Ergebnisse sich als unbefriedigend erwiesen. Dann scheinen sie die Gegend samt und
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