SdG 04 - Die eisige Zeit
und eine beunruhigende, wenn auch gnädigerweise kleine Zahl von Verbündeten. Sind das deine Freunde, Toc der Jüngere?«
»Ich habe keine Freunde, Seher.«
»Noch nicht einmal unter deinen Kameraden, den anderen Tenescowri? Was ist mit Anaster, dem Ersten Kind, der eines Tages eine ganze Armee aus Kindern des Toten Samens anführen wird? Er hat bemerkt, dass du etwas … Einzigartiges bist. Und was ist mit mir? Bin ich nicht dein Lord? War nicht ich es, der dich umarmt hat?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Toc schwerfällig, »wer von Euch es war, der mich umarmt hat.«
Das Wesen und der Leichnam zuckten bei diesen Worten gleichermaßen zurück, ein Verschwimmen von Formen, das Tocs Auge schmerzen ließ. Zwei Wesen, eines davon ist lebendig und versteckt sich hinter dem toten. Macht schwoll an, bis es schien, als würde der alte Leichnam sich auflösen. Die Gliedmaßen zuckten krampfhaft. Nach einem Augenblick wurde der wilde Ausbruch schwächer, und der Leichnam war wieder still. »Das ist mehr als das Auge eines Wolfs, wenn du so klar sehen kannst, was bisher sonst niemand wahrnehmen konnte. Oh, Zauberer haben ihr Augenmerk auf mich gerichtet, umspült von der Macht ihrer gerühmten Gewirre, und sie haben nichts Ungewöhnliches gesehen. Meine Täuschung war niemals wirklich in Gefahr. Aber du …«
Toc zuckte die Schultern. »Ich sehe, was ich sehe.«
»Mit welchem Auge?«
Er zuckte erneut die Schultern. Auf diese Frage hatte er keine Antwort.
»Aber wir haben gerade von Freunden gesprochen, Toc der Jüngere. In meiner heiligen Umarmung fühlt sich ein Sterblicher nicht allein. Anaster, das erkenne ich jetzt, wurde getäuscht.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich mich allein fühle, Seher. Ich habe gesagt, dass ich keine Freunde habe. Unter den Tenescowri bin ich eins mit Eurem heiligen Willen. Doch denkt an die Frau, die an meiner Seite geht, oder das erschöpfte Kind, das ich trage, oder die Männer um mich herum … sollten sie sterben, werde ich sie verschlingen. In solch einer Gesellschaft kann es keine Freundschaft geben, Seher. Da gibt es nur Dinge, die möglicherweise als Nahrung dienen können.«
»Und doch willst du nicht essen.«
Toc sagte nichts.
Der Seher beugte sich noch einmal vor. »Aber jetzt würdest du essen, stimmt’s?«
Und so umhüllt mich der Wahnsinn wie ein warmer Umhang. »Wenn ich es tun muss, um zu überleben.«
»Und ist es wichtig für dich, zu überleben, Toc der Jüngere?«
»Ich weiß es nicht, Seher.«
»Dann lass es uns doch herausfinden, ja?« Ein runzliger Arm hob sich. Magie waberte in der Luft vor Toc. Vor dem Malazaner nahm ein kleiner Tisch Gestalt an, hoch beladen mit dampfenden Scheiben gebratenen Fleisches. »Hier ist also die Nahrung, die du dir wünschst«, sagte der Seher. »Herrliches Fleisch; es ist ein Geschmack, an den man sich gewöhnen kann, das hat man mir zumindest gesagt. Ah, ich kann den Hunger in deinem Wolfsauge aufflackern sehen. In dir steckt tatsächlich ein Tier – was kümmert es das Tier, wo sein Mahl herkommt? Nichtsdestotrotz warne ich dich jedoch, langsam zu essen, sonst wird dein geschrumpfter Magen alles zurückweisen, was du ihm zuführst.«
Mit einem leisen Stöhnen fiel Toc stolpernd vor dem Tisch auf die Knie, streckte die Hände aus. Seine Zähne schmerzten, als er zu kauen begann, fügten den Fleischsäften sein eigenes Blut hinzu. Er schluckte, spürte, wie seine Eingeweide sich um den Bissen zusammenballten. Er zwang sich, innezuhalten, zu warten.
Der Seher erhob sich von seinem Stuhl, ging steif zu einem Fenster. »Mir ist klar geworden«, sagte die alte Kreatur, »dass sterbliche Armeen für die Aufgabe, die Bedrohung zurückzuschlagen, die sich von Süden her nähert, nicht ausreichen. Dementsprechend habe ich meine Streitkräfte zurückgezogen und werde den Feind jetzt eigenhändig vertreiben.« Der Seher drehte sich um und musterte Toc. »Es heißt, Wölfe meiden Menschenfleisch, wenn sie können. Glaube nicht, dass ich ganz ohne Mitleid wäre, Toc der Jüngere. Das Fleisch vor dir ist Wildbret.«
Das weiß ich, du verdammter Bastard. Es scheint, dass ich nicht nur das Auge eines Wolfs habe – ich habe anscheinend auch seinen Geruchssinn. Er griff nach einem weiteren Stück. »Es spielt keine Rolle mehr, Seher.«
»Ich bin erfreut. Spürst du, wie die Kraft in deinen Körper zurückkehrt? Ich habe mir die Freiheit genommen, dich zu heilen – langsam, um den Schock für den Geist zu mildern. Ich mag dich,
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