SdG 04 - Die eisige Zeit
verschränkte die Arme. »Glaubt Ihr etwa, ich ließe es an der nötigen Vorsicht mangeln?«
»Schon jetzt habt Ihr einen toten Punkt erreicht, und Eure Frustration nimmt zu. Ich füge noch einen weiteren Anreiz hinzu, Lady Missgunst. Eure alten Reisegefährten treffen sich alle am selben Ort – in der Pannionischen Domäne. Sowohl Anomander Rake als auch Caladan Bruth bereiten sich darauf vor, Krieg gegen die Domäne zu führen. Eine folgenschwere Entscheidung – macht Euch das nicht neugierig?«
»Ihr seid nicht nur ein einfacher T’lan Imass«, sagte sie anklagend.
Tool gab ihr keine Antwort.
»Es scheint, als würde er jetzt ausnutzen, dass Ihr Euch in einer misslichen Lage befindet«, bemerkte Toc, der seine Erheiterung nur mühsam verbergen konnte.
»Ich finde Unverschämtheit schrecklich unattraktiv«, schnappte sie. »Was ist bloß aus Eurer freundlichen Gelassenheit geworden, Toc der Jüngere?«
Er wunderte sich über den plötzlichen Impuls, sich ihr zu Füßen zu werfen und um Vergebung zu betteln, der ihn durchzuckte. Er schüttelte diesen absurden Gedanken ab und sagte: »Ich nehme an, dass war eine böse Kränkung.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, und ihre großen Rehaugen schimmerten.
Der unsinnige Wunsch kehrte wieder.
Toc kratzte sich an seiner Narbe und sah weg.
»Ich hatte nicht vor, Euch zu kränken – «
Na klar, und die Königin der Träume hat Hühnerfüße.
»- und entschuldige mich aufrichtig.« Wieder schaute sie Tool an. »Meinetwegen, dann werden wir eben alle eine Reise unternehmen. Wie aufregend!« Sie winkte ihren Seguleh-Dienern. »Fangt unverzüglich mit den Vorbereitungen an!«
Tool wandte sich an Toc. »Ich werde jetzt Material für deinen Bogen und die Pfeile sammeln. Wir können sie dann unterwegs fertig stellen.«
Der Kundschafter nickte. Einen Augenblick später fügte er hinzu: »Ich hätte nichts dagegen, dir zuzusehen, wie du sie machst, Tool. Das Wissen könnte mir noch einmal nützlich sein …«
Der T’lan Imass schien über diesen Vorschlag nachzudenken und neigte schließlich den Kopf. »Dieser Ansicht waren wir auch immer.«
Alle drehten sich um, als von dort, wo Senu an der Wand lag, ein lautes Stöhnen ertönte. Er hatte das Bewusstsein wiedererlangt und festgestellt, dass der Ay über ihm stand; das Tier leckte mit offensichtlichem Behagen über die auf seiner Maske aufgemalten Muster.
»Die Farbe«, erklärte Tool in seinem üblichen trockenen Tonfall, »scheint eine Mischung aus Holzkohle, Speichel und menschlichem Blut zu sein.«
»Nun, nenne ich ein böses Erwachen«, murmelte Toc.
Lady Missgunst streifte ihn ganz leicht, als sie auf die Tür zuschritt, und warf ihm im Vorübergehen einen Blick zu. »Oh, ich freue mich riesig auf diesen Ausflug.«
Die alles andere als zufällige Berührung ließ in Tocs Eingeweiden ein ganzes Nest von Vipern erwachen. Trotz seines heftig klopfenden Herzens war sich der Malazaner nicht sicher, ob er erfreut oder entsetzt sein sollte.
Kapitel Zwei
Einarms Heer blutete aus unzähligen Wunden. Dies war das Ergebnis eines endlosen Feldzugs mit aufeinander folgenden Niederlagen und womöglich noch teurer erkauften Siegen. Doch die schlimmsten aller Wunden, von denen die Armee Dujek Einarms gezeichnet war, waren die in ihrer Seele …
Silberfuchs
Vorreiter Hurlochel
K
orporal Tippa kauerte zwischen den Felsvorsprüngen und umgestürzten Felsbrocken des Abhangs und beobachtete den alten Mann, der sich mühsam den Pfad hinaufquälte. Sein Schatten glitt über die Stelle hinweg, wo sich Blend verbarg, doch der Mann, der ihn warf, hatte keine Ahnung, wie nahe ihm die Soldatin war. Blend erhob sich lautlos, sobald er vorbei war; Staub rieselte an ihr hinunter, und ihre Hände vollführten eine ganze Reihe von Gesten, die für Tippa gedacht waren.
Der alte Mann ging weiter, ohne etwas zu merken. Als er kaum noch ein halbes Dutzend Schritte entfernt war, richtete sich Tippa auf. Die graue Staubschicht, die der Sturm heute Morgen auf ihr zurückgelassen hatte, fiel von ihr ab, als sie ihre Armbrust auf den Mann richtete. »Das ist weit genug, Reisender«, verkündete sie mit grollender Stimme.
Der alte Mann war so überrascht, dass er einen Schritt zurückstolperte. Er trat auf einen lockeren Stein, der unter seinem Fuß wegrutschte, stieß einen Schrei aus und stürzte zu Boden, wobei er es noch schaffte, sich so zu drehen, dass er nicht auf den ledernen Rucksack fiel, den er sich auf den
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