SdG 05 - Der Tag des Sehers
vorwärts.
Schritte hinter dem Schild-Amboss kündeten von der Ankunft der Boten. Ohne sich umzudrehen sagte Itkovian: »Informiert die Hauptleute der Bogenschützen und der Männer an den Tribocken, dass die Pannionier bald einen erneuten Angriff versuchen werden. Soldaten auf die Mauern und Brustwehren. Die Kompanien an den Toren sollen sich in voller Kampfstärke sammeln, einschließlich der Sappeure.«
Mehr als ein Dutzend feuriger Bälle stiegen hinter den dicht gedrängt stehenden Pannioniern himmelwärts. Die Geschosse flogen in hohem Bogen über Itkovians Kopf hinweg, wobei ihr Zischen und Fauchen selbst auf dem Turm zu hören war. Explosionen erleuchteten die Stadt, erschütterten die bronzebeschlagenen dicken Holzbohlen unter seinen Füßen. Der Schild-Amboss blickte seine Melder an. »Geht!«
Karnadas trieb sein Pferd in leichtem Galopp auf den Tura’l-Platz zu. Der hohe Torbogen fünfzig Schritt zu seiner Linken hatte gerade an einer Ecke des Sockels einen Treffer abbekommen, und Steinsplitter und brennendes Pech verteilten sich in einem Sprühregen über die Pflastersteine und die Dächer der Mietskasernen daneben. Flammen flackerten auf, und der Destriant sah Gestalten aus dem Gebäude strömen. Irgendwo im Norden, ganz am Rand des Tempelbezirks, brannte eine andere Mietskaserne lichterloh.
Er erreichte die gegenüberliegende Seite des Platzes und ritt ohne langsamer zu werden die Schattenstraße entlang. Er ließ den Tempel des Schattens zu seiner Linken und den Tempel der Königin der Träume zu seiner Rechten liegen, lenkte sein Pferd dann erneut nach links, als sie den Speer der Daru erreichten, die Hauptstraße dieses Viertels. Ein Stück voraus ragten die dunklen Mauern des Knechts in die Höhe, der uralten Festung, die die niedrigeren Mietskasernen des Daru-Viertels sichtbar überragte.
Drei Trupps Gidrath bewachten das Tor, voll gerüstet und mit blankgezogenen Waffen. Als sie den Destriant erkannten, winkten sie ihn durch.
Im Hof stieg er von seinem Pferd, das er einem Stallburschen überließ, und begab sich dann zum Großen Saal, wo er, wie er wusste, Brukhalian finden würde.
Während er den Hauptgang entlang auf die Doppeltüren zuschritt, sah er, dass sich vor ihm ein anderer Mann befand. In einen langen Umhang mit Kapuze gehüllt, war er ohne die übliche Eskorte unterwegs, die normalerweise Fremde in den Knecht geleitete; dennoch näherte er sich dem Eingang mit würdevoller Selbstsicherheit. Karnadas fragte sich, wie er wohl an den Gidrath vorbeikommen wollte, und dann wurden seine Augen groß, als der Fremde mit einer Hand gestikulierte und die breiten Türflügel sich vor ihm öffneten.
In ärgerlichem Disput erhobene Stimmen schallten durch die geöffnete Tür und verstummten schnell, als der Fremde den Saal betrat.
Karnadas beschleunigte seine Schritte und kam gerade noch rechtzeitig, um die letzten Worte des Protests eines Rath-Priesters zu hören.
»- diesem Augenblick!«
Der Destriant schlüpfte im Gefolge des Fremden durch die Tür. Er sah das Todbringende Schwert in der Nähe des zentralen Mühlsteins stehen; Brukhalian hatte sich umgedreht, um den Neuankömmling anzusehen. Die beiden Barghast, Hetan und Cafal, saßen ein paar Schritt entfernt rechts von Brukhalian auf ihrem Teppich. Die Priester und Priesterinnen des Maskenrates beugten sich samt und sonders auf ihren Sitzen nach vorn; ihre Masken zeigten einen Ausdruck, der einer Karikatur größten Missfallens gleichkam. Nur Rath’Vermummter bildete eine Ausnahme. Er stand an seinem Platz, die hölzerne Totenschädelmaske wutverzerrt.
Den Fremden, der die Hände in den Ärmeln seiner graubraunen Robe gefaltet hatte, schien die unfreundliche Begrüßung nicht zu beunruhigen.
Von da, wo er stand, konnte der Destriant das Gesicht des Mannes nicht sehen, doch er sah, wie die Kapuze sich bewegte, als der Fremde die maskierte Versammlung musterte.
»Wollt Ihr meinen Befehl missachten?«, fragte Rath’Vermummter, sichtlich bemüht, seinen Ton zu mäßigen. Der Priester blickte sich finster um. »Wo sind unsere Gidrath? Warum, im Namen der Götter, haben sie unsere Rufe nicht gehört?«
»Bedauerlicherweise«, murmelte der Fremde auf Daru, »lauschen sie im Augenblick dem Ruf ihrer Träume. Aber dadurch vermeiden wir jede unnötige Unterbrechung.« Der Mann drehte sich jetzt zu Brukhalian um, so dass Karnadas – der mittlerweile an der Seite des Todbringenden Schwerts stand – zum ersten Mal sein Gesicht
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