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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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seiner Geliebten, und dieser Anblick versetzte ihm einen schmerzhaften Stich in die Magengrube. Er zwang sich, wegzuschauen. Obwohl er sie jetzt brauchte, und obwohl sie ihn ihrerseits vielleicht ebenso sehr brauchte, um all das mit ihm zu teilen, was sie so klar verstand, musste das warten. Er beschloss, sich ein Beispiel an Anomander Rake zu nehmen, für den Kontrolle sowohl ein Panzer als auch – je nach den Umständen – eine Waffe war.
    Reiter näherten sich aus den Reihen der Malazaner wie auch aus denen Bruths. Bei dem, was nun folgte, würde es Zeugen geben – und dass ich diese Dinge jetzt verfluche, ist der endgültige Beweis dafür, wie tief ich gefallen bin. Wann habe ich jemals Zeugen gefürchtet bei dem, was ich getan oder gesagt habe? Königin der Träume, vergib mir. Plötzlich finde ich mich in einem lebendig gewordenen Albtraum wieder – und das Ungeheuer, das mich verfolgt, ist niemand anderer als ich selbst.
    Als Elster sein Pferd vor den versammelten Tiste Andii zügelte, konnte er Anaster das erste Mal genauer in Augenschein nehmen.
    Entwaffnet, von blauen Flecken übersät und blutverschmiert, das Gesicht abgewandt, sah er Mitleid erregend, schwach und klein aus.
    Aber so ist das immer mit Anführern, die gebrochen worden sind. Egal, ob Könige oder Kommandanten, die Niederlage vernichtet sie -
    Und dann sah er das Gesicht des Jungen. Etwas hatte ihm ein Auge ausgestochen, hatte einen Wirrwarr aus tiefrotem Blut zurückgelassen. Der Blick des verbliebenen Auges richtete sich auf Elster. Aufmerksam, aber entsetzlich leblos – ein Starren, das gleichermaßen kalt und lässig war, neugierig und gleichzeitig von einer überwältigenden, grundsätzlichen Gleichgültigkeit. »Der Mann, der meine Mutter niedergemetzelt hat«, meinte Anaster in singendem Tonfall und reckte den Kopf, während er den Malazaner weiter musterte.
    »Es tut mir Leid, Erstes Kind«, sagte Elster heiser.
    »Mir nicht. Sie war verrückt. Eine Gefangene ihrer selbst, besessen von ihren eigenen Dämonen. Wobei wir annehmen müssen, dass sie nicht die Einzige war, die diesem Fluch erlegen ist.«
    »Jetzt nicht mehr«, antwortete Elster.
    »Es ist eine Plage, oder etwa nicht? Eine, die sich immer weiter ausbreitet. Leben verschlingt. Und aus diesem Grunde wirst du am Ende schließlich scheitern. Werdet ihr alle scheitern. Ihr werdet zu dem, was ihr zerstört.«
    Anomander Rakes Ton war schockierend derb, als er antwortete: »Von einem Kannibalen können kaum passendere Worte kommen. Was meinst du, Anaster, was sollen wir mit dir machen? Sei ehrlich.«
    Der junge Mann richtete sein eines Auge auf den Lord von Mondbrut. Wie gut er sich auch in der Gewalt haben mochte, seine Selbstbeherrschung schien jetzt schlagartig zusammenzubrechen, denn er hob vorsichtig eine Hand, um sie sich vor die blutige Augenhöhle zu halten, und sein blasses Gesicht wurde noch blasser. »Töte mich«, flüsterte er.
    Rake runzelte die Stirn. »Korlat?«
    »Ja, er hat die Kontrolle verloren. Seine Angst hat ein Gesicht. Eins, das ich noch nie gesehen habe – «
    Anaster fuhr zu ihr herum. »Halt den Mund! Du hast gar nichts gesehen!«
    »In dir herrscht Dunkelheit«, entgegnete sie ruhig. »Ein bösartiger Verwandter Kurald Galains. Eine Dunkelheit der Seele. Wenn du taumelst, Kind, können wir sehen, was sich in dieser Dunkelheit versteckt.«
    »Lügnerin!«, zischte er.
    »Das Gesicht eines Soldaten«, sagte Anomander Rake. Er richtete den Blick langsam westwärts. »Aus der Stadt. Aus Capustan.« Er drehte sich wieder zu Anaster um. »Er ist immer noch dort, nicht wahr? Es scheint, Sterblicher, als hättest du eine Nemesis gefunden – eine, die dir etwas anderes als den Tod verspricht, etwas, das weitaus schrecklicher ist. Interessant.«
    »Das verstehst du nicht! Es ist Itkovian! Der Schild-Amboss! Er will meine Seele! Bitte, töte mich!«
    Dujek und Caladan Bruth waren mittlerweile herangekommen, ebenso Kallor und Artanthos. Aufmerksam und schweigend saßen sie auf ihren Pferden.
    »Vielleicht tun wir das«, erwiderte der Lord von Mondbrut nach einer kurzen Pause. »Wenn es an der Zeit ist. Doch fürs Erste werden wir dich nach Capustan mitnehmen – «
    »Nein! Bitte! Tötet mich jetzt!«
    »Dein besonderer Wahnsinn bietet keinen Grund, dich freizusprechen, Kind«, sagte Anomander Rake. »Keinen Grund, Barmherzigkeit walten zu lassen. Noch nicht. Vielleicht werden wir anders entscheiden, wenn wir mit demjenigen – diesem Itkovian? –, der

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