SdG 05 - Der Tag des Sehers
windabgewandten Seite der Plane, in der Nähe der Wasserfässer, Position zu beziehen.
Stattdessen bemerkte ihn ein malazanischer Offizier und beugte sich zu einem anderen Mann hinüber. Ein kurzes Gespräch folgte, dann drehte sich der zweite Mann – ebenfalls ein malazanischer Kommandant – langsam um und musterte Itkovian.
Einen Augenblick später taten alle anderen es ihm nach.
Itkovian blieb stehen.
Ein hoch gewachsener Krieger, der einen Hammer auf dem Rücken trug, trat vor. »Da ist der Mann, den wir schon lange kennen lernen wollten. Ihr seid Itkovian, Schild-Amboss der Grauen Schwerter. Der Verteidiger von Capustan. Ich bin Caladan Bruth – «
»Ich bitte um Entschuldigung, mein Herr, aber ich bin kein Schild-Amboss mehr, und auch kein Soldat der Grauen Schwerter.«
»Das hat man uns erzählt. Dennoch, kommt bitte nach vorn.«
Itkovian rührte sich nicht. Er musterte die Gesichter, die ihm zugewandt waren. »Ihr würdet meine Schande sichtbar machen, mein Herr.«
Der Krieger runzelte die Stirn. »Schande?«
»In der Tat. Ihr habt mich den Verteidiger von Capustan genannt, und nun muss ich diesen spöttischen Titel akzeptieren, da ich Capustan nicht verteidigt habe. Das Todbringende Schwert Brukhalian hatte mir befohlen, die Stadt bis zu Eurer Ankunft zu halten. Ich habe versagt.«
Niemand sagte etwas. Ein halbes Dutzend Herzschläge verstrichen.
Dann meinte Bruth: »Es war kein Spott beabsichtigt. Und Ihr seid gescheitert, weil Ihr nicht gewinnen konntet. Versteht Ihr mich, mein Herr?«
Itkovian zuckte die Schultern. »Ich verstehe Euren Einwand, Caladan Bruth, aber ich sehe wenig Sinn darin, semantische Feinheiten zu diskutieren. Wenn Ihr erlaubt, würde ich diese Verhandlungen gerne beobachten. Ich werde keine Kommentare oder Meinungen von mir geben, das versichere ich Euch.«
»Dann ist das ein Verlust für uns«, grollte der Krieger.
Itkovian warf Hauptmann Norul einen Blick zu und war schockiert, als er sah, dass Tränen über ihre wettergegerbten Wangen rannen.
»Wollt Ihr, dass wir uns über Euren Wert streiten, Itkovian?«, fragte Bruth. Sein Stirnrunzeln war finsterer geworden.
»Nein.«
»Und doch habt Ihr das Gefühl, dass Ihr es nicht wert seid, an dieser Versammlung teilzunehmen.«
»Es mag sein, dass ich noch nicht am Ende bin, mein Herr, aber die Verantwortlichkeiten, die ich eines Tages übernehmen muss, sind ausschließlich die meinen, und so müssen sie auch allein getragen werden. Ich führe niemanden und habe daher keine Rolle in den Diskussionen, die hier stattfinden werden. Ich werde nur zuhören. Es stimmt, dass Ihr keinen Grund habt, großzügig zu sein – «
»Bitte«, unterbrach ihn Bruth. »Das reicht. Ihr seid uns willkommen, Itkovian.«
»Ich danke Euch.«
Als hätten sie sich stillschweigend abgesprochen, lösten sich die Würdenträger aus ihrer Unbeweglichkeit und traten zu dem großen hölzernen Tisch. Die Priester und die Priesterin des Maskenrats nahmen an einem Ende Platz. Humbrall Taur, Hetan und Cafal stellten sich hinter die Stühle, die denen der Priester am nächsten waren, und machten deutlich, dass sie während der Besprechung stehen bleiben würden. Grantl und Stonny saßen einander gegenüber ungefähr in der Mitte, der neue Schild-Amboss der Grauen Schwerter saß neben Stonny Caladan Bruth und die beiden malazanischen Kommandeure – einer von ihnen hatte, wie Itkovian jetzt sah, nur einen Arm – setzten sich an das Tischende, das den Priestern gegenüberlag. Ein großer, grauhaariger Krieger in einem langen Kettenhemd stand zwei Schritte hinter Bruth zu seiner Linken. Ein malazanischer Standartenträger hielt sich hinter seinen Kommandanten zur Rechten auf.
Becher wurden aus einem Krug mit verdünntem Wein gefüllt, doch noch bevor alle Anwesenden einen vollen Becher vor sich stehen hatten, ergriff Rath’Vermummter bereits das Wort.
»Der Knecht wäre eine weit zivilisiertere Umgebung für dieses historische Zusammentreffen gewesen, der Palast, von dem aus die Herrscher Capustans ihre – «
»Nun, da der Fürst tot ist, meint Ihr wohl«, sagte Stonny gedehnt und kräuselte die Lippen. »Und nur, falls Ihr es vergessen habt, Priester – der Palast hat keinen Fußboden.«
»Nun, das könnte man eine strukturelle Metapher nennen, oder?«, fragte Grantl sie.
»Ja, wenn man ein Idiot wäre.«
Rath’Vermummter versuchte es erneut. »Wie ich gesagt habe – «
»Ihr habt nichts gesagt, Ihr habt Euch in Positur geworfen.«
»Dieser
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