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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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kommt.
    »Hauptmann, dominiert im Innern von Silberfuchs noch immer die Seele von Flickenseel?«
    »Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Eins kann ich allerdings sagen: Wir waren bisher mehr oder weniger der Überzeugung, dass wir Silberfuchs’ Taten voraussehen könnten – darauf sollten wir uns nun lieber nicht mehr verlassen.«
    »Was ist denn aus ihr geworden?«
    »Eine wahre Knochenwerferin.«
    Sie zügelten die Pferde, um auf die vier Reiter zu warten. Kruppes Maultier schien vorausrennen zu wollen; das kurzbeinige Tier wechselte immer wieder zwischen hastigem Trab und leichtem Galopp, was den rundlichen Daru im Sattel schwanken und auf und ab hüpfen ließ. Hinter Silberfuchs und Kruppe ritten zwei Seesoldatinnen, die sehr entspannt wirkten.
    »Ich wollte, ich hätte gesehen«, murmelte der Schnelle Ben, »was ihre Begleiter gesehen haben.«
    Aber es ist nicht so gelaufen wie geplant. Das kann ich an ihrer Haltung erkennen – mühsam gezügelte Wut, mangelndes Selbstvertrauen – und Schmerz, tief vergrabener Schmerz. Sie hat sie überrascht. Überrascht und ihnen getrotzt. Und die T’lan Imass haben auf ebenso unerwartete Weise geantwortet. Sogar Kruppe sieht aus, als wäre er aus dem Gleichgewicht geraten, und das liegt nicht nur an diesem schlingernden Maultier.
    Als Silberfuchs die Zügel anzog, starrte sie ihn an, doch Paran vermochte ihren Gesichtsausdruck nicht zu deuten. Genau wie ich es gespürt habe – sie hat eine Mauer zwischen uns errichtet … aber, bei den Göttern, sie sieht aus wie Flickenseel! Und sie ist inzwischen eine Frau und kein Kind mehr. Und die Illusion, dass unsere Trennung Jahre gedauert hätte, ist perfekt – sie ist vorsichtig geworden, verfügt über Geheimnisse, die zu enthüllen sie als Kind nicht gezögert hätte. Beim Atem des Vermummten, jedes Mal wenn wir uns treffen, scheint es, als müsste ich … mich völlig neu orientieren.
    Der Schnelle Ben ergriff als Erster das Wort. »Schön, dass wir uns treffen. Silberfuchs, was – «
    »Nein.«
    »Bitte?«
    »Nein, Magier. Ich habe keine Erklärungen, die ich auszusprechen gewillt bin. Und ich werde auch auf keine Fragen antworten. Kruppe hat es schon versucht, viel zu oft. Mein Geduldsfaden ist kurz – probiere es lieber nicht aus.«
    Sie ist vorsichtig – und härter. Viel, viel härter.
    Nach einem kurzen Augenblick zuckte der Schnelle Ben die Schultern. »Dann sei eben so.«
    »Ich bin so«, schnappte sie, »Die Wut, mit der du es zu tun bekämst, ist die von Nachtfrost, und der Rest von uns wird nichts tun, um sie zu zügeln. Ich gehe davon aus, dass du mich jetzt verstanden hast.«
    Der Schnelle Ben grinste nur. Kalt, herausfordernd.
    »Gütige Herren!«, krähte Kruppe. »Seid Ihr vielleicht zufällig unterwegs zu unseren ansehnlichen Armeen? Wenn dem so wäre, würden wir Euch begleiten, erfreut und erleichtert darüber, in besagten kriegerischen Schoß zurückzukehren. Erfreut, oh ja, weil Ihr in der Tat eine beeindruckende Gesellschaft seid. Erleichtert, wie Kruppe gesagt hat, wegen der willkommenen Bestimmung, die so unmittelbar bevorsteht. Ungeduldig, wie eingeräumt werden muss, die Reise wieder aufzunehmen. Unverbesserlich optimistisch, was – «
    »Das reicht, Kruppe«, knurrte Silberfuchs.
    »Äh – oh ja, natürlich.«
    Wenn tatsächlich irgendetwas zwischen uns existiert hat, dann ist es jetzt endgültig vorbei. Sie hat Flickenseel zurückgelassen. Sie ist jetzt tatsächlich eine Knochenwerferin. Diese Erkenntnis versetzte ihm einen schwächeren Stich des Verlusts, als er erwartet hatte. Vielleicht haben wir uns beide weiterentwickelt. Den Druck dessen, in das wir hineingewachsen sind, können unsere Herzen nicht überwinden.
    Paran packte die Zügel fester. »Wie Kruppe gesagt hat. Lasst uns weiterreiten – so wie’s aussieht, sind wir sowieso schon spät dran.«
     
    Eine große Zeltplane war über die Hügelkuppe gespannt worden, um die Teilnehmer der Unterredung vor der heißen Nachmittagssonne zu schützen. Malazanische Soldaten mit Armbrüsten in den Händen umringten den Hügel von allen Seiten.
    Den Blick auf die Gestalten unter der Plane gerichtet, brachte Itkovian sein Pferd zum Stehen und stieg ein Dutzend Schritte vor den Wachen ab. Die Kutsche des Maskenrates hatte ebenfalls Halt gemacht; nun schwangen die Seitentüren auf, um die vier Repräsentanten Capustans ins Freie zu entlassen.
    Hetan war mit einem erleichterten Grunzen von ihrem Pferd geklettert und trat jetzt neben Itkovian.

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