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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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vollkommen selbstbeherrscht. Eine harte Gestalt, die brutale Gerechtigkeit versprach. Zugegeben, er hatte sowohl Brukhalian als auch Karnadas gehabt, von denen er Unterstützung bekommen konnte. Für den neuen Schild-Amboss jedoch gab es nur den Destriant – eine junge, wortkarge capanische Frau, die vor nicht allzu langer Zeit selbst noch Rekrutin gewesen war. Itkovian verstand nur zu gut, wie allein der Schild-Amboss sich fühlen musste, doch ihm fiel keine Möglichkeit ein, wie er ihr die Bürde leichter machen könnte. Jeder Ratschlag, den er erteilte, kam schließlich von einem Mann, der – zumindest nach seinem eigenen Dafürhalten – seinen Gott verraten hatte.
    Seine Rückkehr zu Grantl und Stonny schmeckte jedes Mal bitter nach Flucht.
    »Ihr kaut auf den Dingen herum wie niemand sonst, den ich kenne«, sagte Grantl.
    Blinzelnd warf Itkovian dem Daru einen Blick zu. »Mein Herr?«
    »Nun, so ganz richtig ist das nicht, wenn ich es mir recht überlege. Buke …«
    Auf Itkovians anderer Seite stieß Stonny ein Schnauben aus. »Buke? Buke war ein Säufer.«
    »Er war mehr als das, du armseliges Weib«, erwiderte Grantl. »Auf seinen Schultern hat – «
    »Ich will nichts davon hören«, warnte ihn Stonny.
    Zu Itkovians Überraschung verstummte Grantl augenblicklich. Buke … oh, ich erinnere mich. Auf seinen Schultern hat er den Tod der Menschen getragen, die er liebte. »Stonny Menackis, es gibt keinen Grund für so eine außergewöhnliche Empfindlichkeit. Ich verstehe, dass ich in Euren Augen Buke ziemlich ähnlich sein muss. Ich bin neugierig: Hat euer trauriger Freund in seinem Leben Erlösung gesucht? Er hat mich zwar zurückgewiesen, als ich noch Schild-Amboss war, doch er mag durchaus Kraft aus einer inneren Lösung gezogen haben.«
    »Auf keinen Fall, Itkovian«, sagte Stonny »Buke hat getrunken, um sich seine Qualen vom Hals zu halten. Er hat nicht nach Erlösung gesucht. Er wollte sterben, schlicht und einfach.«
    »Nicht einfach«, widersprach Grantl. »Er wollte ehrenvoll sterben, etwas, was seiner Familie verwehrt worden war – durch diese Ehre würde er im Gegenzug sie erlösen. Das ist eine ziemlich verquere Idee, ich weiß, aber was in seinem Kopf vorgegangen ist, ist für mich wohl weniger ein Geheimnis als für viele andere.«
    »Weil du genauso gedacht hast«, schnappte Stonny »Obwohl du keine Familie durch den Brand eines Mietshauses verloren hast. Obwohl das Schlimmste, was du verloren hast, wahrscheinlich diese Hure war, die den Kaufmann geheiratet – «
    »Stonny«, grollte der Daru, »ich habe Harllo verloren. Ich habe beinahe dich verloren.«
    Dieses Eingeständnis verschlug ihr eindeutig die Sprache.
    Oh, diese beiden … »Der Unterschied zwischen mir und Buke«, sagte Itkovian, »liegt in der Vorstellung von Erlösung. Ich akzeptiere Qualen, wie sie sind, und übernehme so Verantwortung für alles, was ich getan oder nicht getan habe. Als Schild-Amboss hat mein Glaube von mir verlangt, dass ich andere von ihren Schmerzen befreie. In Feners Namen sollte ich den Seelen den Frieden bringen, und zwar ohne ein Urteil zu fällen. Das habe ich getan.«
    »Aber Euer Gott ist fort«, sagte Stonny. »Wem im Namen des Vermummten habt Ihr dann diese Seelen überbracht?«
    »Niemandem, Stonny Menackis. Ich trage sie immer noch in mir.«
    Stonny warf Grantl einen finsteren Blick zu, der zur Antwort verzagt die Schultern zuckte. »Genau, wie ich’s dir gesagt habe, Schätzchen«, murmelte er.
    Sie wirbelte zu Itkovian herum. »Ihr verdammter Narr! Dieser neue Schild-Amboss – was ist mit ihr? Will sie Eure Last nicht in die Arme schließen, oder was auch immer Ihr tut? Will sie diese Seelen nicht übernehmen – sie hat schließlich einen Gott, verdammt noch mal!« Stonny packte ihre Zügel fester. »Wenn sie glaubt, sie könnte–«
    Itkovian hielt sie mit einer Handbewegung zurück. »Nein, meine Dame. Sie hat es mir angeboten, wie sie es tun muss. Aber sie ist für eine solche Last noch nicht bereit – es würde sie töten, ihre Seele vernichten – und das wiederum würde ihren Gott verwunden, möglicherweise tödlich.«
    Stonny zog ihren Arm weg, blieb jedoch neben ihm. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Und was genau habt Ihr mit … mit … all diesen Seelen vor?«
    »Ich muss eine Möglichkeit finden, sie zu erlösen. Genau so, wie es mein Gott getan hätte.«
    »Das ist doch Wahnsinn! Ihr seid kein Gott! Ihr seid ein verdammter Sterblicher! Ihr könnt doch nicht einfach –

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