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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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das Maultier war schließlich dort, und jetzt schaut Euch das arme Tier an – erschöpft von dem, was seine Augen nicht umhin konnten zu sehen! Fast zu Tode erschöpft von simpler Empathie.
    Oh, hört keineswegs von Kruppe und seinen geheimen Wünschen von der Selbstzerstörung in den Händen einer wunderbaren Frau! Hört nichts. Hört nichts, bis schließlich die Bedeutung selbst verschwindet.«
     
    Tippa starrte auf die schwarzen Fluten von Ortnals Kluft hinaus. Eisblöcke schwammen in der Strömung, schoben sich knirschend flussaufwärts. Im Südosten lag die Bucht von Korall wie ein weißes Winterfeld unter den Sternen. Die Reise von der Mündung der Eryn hierher hatte nicht einmal einen halben Tag gedauert. Von hier würden die Brückenverbrenner zu Fuß weiterziehen; sie würden in Deckung bleiben, während sie die dunklen, bewaldeten Berge umgingen, wobei sie das eher flache Gebiet zwischen der Kluft und der Bergkette meiden würden.
    Sie spähte den sanften Hang hinab, dorthin, wo Hauptmann Paran mit dem Schnellen Ben, Spindel, Beinling, Zeh und Blauperl saß. Eine Magierversammlung machte sie immer nervös, vor allem, wenn Spindel dabei war. Denn unter seiner Haut, unter seinem Haarhemd verbarg sich die Seele eines Sappeurs – halb verrückt, wie alle Sappeurseelen sind. Spindels Magie war berüchtigt dafür, unvorhersagbar zu sein, und mehr als einmal hatte sie gesehen, wie er mit der einen Hand sein Gewirr enthüllt hatte, während er mit der anderen Moranth-Munition geworfen hatte.
    Die drei anderen Magier der Brückenverbrenner waren nichts, womit man hätte groß angeben können. Blauperl war ein x-beiniger Napanese, der sich den Schädel rasierte und vorgab, großes Wissen über das Ruse-Gewirr zu besitzen.
    Beinling hatte Seti-Blut in den Adern, eine Tatsache, die er übermäßig betonte, indem er zahllose Amulette und Schmuckstücke dieses Stammes aus dem nördlichen Quon Tali trug, obwohl die Seti selbst vollständig von der Kultur der Quon aufgesogen worden waren. Beinling allerdings trug als Teil seiner Uniform eine Art merkwürdig romantisierter Steppenkleidung der Seti, gefertigt von einer Näherin, die in den Diensten einer Theatergesellschaft in Unta stand. Tippa wusste nicht, auf welches Gewirr Beinling spezialisiert war, da seine Rituale, mit denen er Macht heraufbeschwor, normalerweise länger dauerten als eine durchschnittliche Schlacht.
    Zeh hatte seinen Namen daher, dass er die Zehen toter Feinde sammelte – wobei es egal war, ob er persönlich für deren Ableben zuständig gewesen war oder nicht. Er hatte eine Art Trockenpulver zusammengemischt, mit dem er seine Trophäen behandelte, bevor er sie auf seine Weste nähte – der Mann roch bei trockenem Wetter wie eine Gruft, bei Regen wie die Sickergrube eines Armenhauses vor dem Kalken. Er behauptete, ein Nekromant zu sein, und dass ihn irgendein katastrophal verpfuschtes Ritual in der Vergangenheit überempfindlich gegenüber Geistern gemacht hätte – sie folgten ihm, pflegte er zu versichern, um dann hinzuzufügen, dass die Toten wegen der fehlenden Zehen, die er ihnen genommen hatte, häufig das Gleichgewicht verloren und hinfielen, so dass er sie weit hinter sich lassen konnte.
    In der Tat sah er wie ein von Geistern geplagter Mann aus, aber, wie Blend treffend bemerkt hatte, wer würde nicht unter Heimsuchungen leiden, wenn all diese Zehen an ihm oder ihr hingen?
    Die Reise war anstrengend gewesen. Im rückwärtigen Sattel eines Quorl angebunden zu sein und in den stürmischen, kalten Winden zu frieren, während Länge um Länge unter ihnen dahinglitt, ließ einen entnervt, steifgliedrig und bleiern absteigen. Das feuchte Klima dieses Gebirgswaldes machte die Dinge auch nicht besser. Tippa war durchgefroren bis auf die Knochen. Den ganzen Morgen hatte es geregnet, und der Nebel hatte keinerlei Anstalten gemacht, sich aufzulösen – die Wärme der Sonne würde erst am Nachmittag zu ihnen durchdringen.
    Fäustel trat an ihre Seite. »Leutnant«, sagte er.
    Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Hast du eine Ahnung, worüber die da reden, Heiler?«
    Fäustel schaute zu den Magiern hinunter. »Sie machen sich nur Sorgen, Leutnant. Wegen dieser Kondore. Sie haben sie vor kurzem aus der Nähe gesehen, und es gibt anscheinend nicht viel Zweifel daran, dass diese Vögel alles andere als Vögel sind.«
    »Nun, das hatten wir schon vermutet.«
    »Tja.« Fäustel zuckte die Schultern, fügte dann hinzu: »Und ich gehe davon aus, dass

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