SdG 05 - Der Tag des Sehers
dem Torbogen waren Gestalten zu erkennen.
Jeder Zugang zum Platz hatte sich mit Barghast gefüllt, doch sie drangen nicht weiter vor.
Itkovian drehte sich zu seiner Kompanie um. Sein Blick fand Hauptmann Norul – die als Hauptsergeant für die Ausbildung der Rekruten verantwortlich gewesen war – und dann Velbara. Er musterte ihre zerfetzten, fleckigen Rüstungen, ihre von tiefen Furchen durchzogenen, verhärmten Gesichter. »Ihr beide werdet mich zum Zentrum des Platzes begleiten.«
Die beiden Frauen nickten.
Zu dritt schritten sie auf die freie Fläche hinaus. Tausende von Augen waren auf sie gerichtet, und dann erhob sich ein tiefes grollendes Gemurmel, gefolgt von einem rhythmischen, gedämpften Klirren, als Klingen auf Klingen schlugen.
Von rechts kam noch eine andere Gruppe auf den Platz. Soldaten in Uniformen, die Itkovian nicht erkannte, und bei ihnen befanden sich Gestalten mit streifigen, tigerartigen Tätowierungen. Letztere wurden von einem Mann angeführt, den Itkovian schon einmal gesehen hatte. Der Schild-Amboss verlangsamte seine Schritte.
Grantl. Der Name war wie ein Hammerschlag gegen seine Brust. Und brutale Gewissheit führte zwangsläufig zu seinen nächsten Gedanken. Das Todbringende Schwert von Trake, dem Tiger des Sommers. Der Erste Held ist aufgestiegen.
Wir … wir werden ersetzt.
Itkovian riss sich zusammen und nahm sein Tempo wieder auf, blieb dann in der Mitte des freien Platzes stehen.
Ein einzelner Soldat in der fremden Uniform war an Grantls Seite getreten. Er legte dem großen Daru eine Hand auf den gestreiften Arm und bellte den anderen etwas zu, die alle stehen blieben, während der Mann und Grantl weitergingen – direkt auf Itkovian zu.
Ein Tumult am Tor zum Knecht ließ sie hinüberschauen. Die Priester und Priesterinnen des Maskenrats strömten ins Freie, zerrten einen sich heftig wehrenden Kameraden mit, während sie vorwärts hasteten. Vorneweg lief Rath’Trake. Einen Schritt hinter ihm folgte Keruli, der Daru-Händler.
Der Soldat und Grantl erreichten Itkovian zuerst.
Unter dem Daru-Helm hervor musterten Grantls Tigeraugen den Schild-Amboss. »Itkovian von den Grauen Schwertern«, sagte er mit grollender Stimme, »es ist vorbei.«
Itkovian hatte kein Verlangen nach einer genaueren Erklärung. Die Wahrheit war wie ein Messer in seinem Herzen.
»Nein, das ist es nicht«, schnappte der fremde Soldat. »Ich grüße Euch, Schild-Amboss. Ich bin Hauptmann Paran, von den Brückenverbrennern. Von Einarms Heer.«
»Er ist mehr als das«, murmelte Grantl. »Was er jetzt verkünden wird – «
»Ist nichts, was ich gern tue«, beendete Paran den Satz. »Schild-Amboss. Fener ist aus seiner Sphäre gerissen worden. Er wandert durch ein fernes Land. Ihr und Eure Kompanie – Ihr habt Euren Gott verloren.«
Und so erfahren es alle. »Wir sind uns dessen bewusst, mein Herr.«
»Grantl sagt, dass Euer Platz, Eure Rolle vorbei ist. Die Grauen Schwerter müssen beiseite treten, denn ein neuer Gott des Krieges hat die Oberhand gewonnen. Aber das muss nicht so sein. Für Euch wurde ein Weg vorbereitet …« Parans Blick wanderte an Itkovian vorbei. Er hob die Stimme. »Willkommen, Humbrall Taur. Eure Kinder erwarten Euch zweifellos im Knecht.«
Der Schild-Amboss blickte über die Schulter nach hinten und sah einen großen Barghast-Kriegshäuptling in einer Münzen-Rüstung zehn Schritte hinter ihnen stehen.
»Die können auch noch ein bisschen länger warten«, brummte Humbrall Taur. »Ich würde mir das hier gern ansehen.«
Paran zog eine Grimasse. »Ihr seid ein neugieriger Bastard – «
»Stimmt.«
Der Malazaner wandte sich wieder Itkovian zu und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch der Schild-Amboss kam ihm zuvor. »Einen Augenblick, mein Herr.« Er ging an den beiden Männern vorbei.
Rath’Fener zuckte und wand sich im Griff seiner Priester-Kollegen. Seine Maske saß schief, graue Haarsträhnen lugten unter den Lederriemen hervor. »Schild-Amboss!«, rief er, als er Itkovian näher kommen sah. »Im Namen Feners – «
»In seinem Namen, ja, das stimmt, mein Herr«, schnitt Itkovian ihm das Wort ab. »Zu mir, Hauptmann Norul. Das Gesetz des Traums wird angerufen.«
»Herr«, antwortete die grauhaarige Frau und trat vor.
»Das könnt Ihr nicht tun!«, kreischte Rath’Fener. »Nur das Todbringende Schwert darf den Traum aus einem solchen Grund beschwören!«
Itkovian stand regungslos da.
Irgendwie gelang es dem Priester, einen Arm vorzustrecken und den
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