SdG 05 - Der Tag des Sehers
gegen die Stümpfe. Fleisch verschmorte zischend. Rath’Feners Schreie verstummten abrupt, als er das Bewusstsein verlor. Hauptmann Norul trat von dem Mann weg, ließ ihn auf den Pflastersteinen liegen.
Paran ergriff wieder das Wort. »Schild-Amboss, hört mir zu. Bitte. Fener ist fort – er wandelt in der Sphäre der Sterblichen. Also kann er Euch nicht segnen. Mit dem, was Ihr auf Euch nehmt … es gibt keinen Ort, wo es hinkönnte, keine Möglichkeit, die Bürde leichter zu machen.«
»Ich bin mir dessen, was Ihr sagt, gleichermaßen bewusst, mein Herr.« Itkovian starrte noch immer auf Rath’Fener hinunter, der sich zu regen begann und allmählich wieder zu sich kam. »Doch dieses Wissen ist wertlos.«
»Es gibt einen anderen Weg, Schild-Amboss.«
Bei diesen Worten drehte Itkovian sich um, kniff die Augen zusammen.
Paran fuhr fort. »Eine Wahlmöglichkeit ist … geschaffen worden. In dieser Hinsicht bin ich nur ein Bote – «
Rath’Trake trat an Itkovian heran. »Wir werden Euch willkommen heißen, mein Herr. Euch und Eure Gefolgsleute. Der Tiger des Sommers braucht Euch, einen Schild-Amboss, und bietet Euch daher seine Umarmung – «
»Nein.«
Die Augen hinter der Maske wurden schmal.
»Itkovian«, sagte Paran. »Dies hier wurde vorausgesagt … und der Weg dafür bereitet … von Älteren Mächten, die von neuem erwacht und in der Welt wieder aktiv sind. Ich bin hier, um Euch zu sagen, was sie von Euch wollen – «
»Nein. Ich habe mich Fener verschworen. Wenn es denn sein muss, werde ich sein Schicksal teilen.«
»Dies ist ein Angebot, Euch zu retten – kein Verrat!«, rief Rath’Trake.
»Nein? Kein Wort mehr, meine Herren.« Mittlerweile hatte Rath’Fener, der noch immer auf den Pflastersteinen lag, das Bewusstsein wiedererlangt. Itkovian musterte ihn. »Ich bin noch nicht am Ende«, flüsterte er.
Ein Zucken ging durch Rath’Feners Körper, er stieß einen gellenden Schrei aus, seine Arme ruckten, als zerrten unsichtbare, unmenschliche Hände an ihnen. Dunkle Tätowierungen erschienen auf der Haut des Priesters, doch es waren nicht die Tätowierungen Feners – denn es war nicht der Eber gewesen, der Rath’Feners abgetrennte Hände für sich beansprucht hatte. Sich windende, fremdartige Schriftzeichen breiteten sich auf seiner Haut aus, als die unbekannte Macht ihr Zeichen hinterließ, Besitzansprüche auf die menschliche Seele des Mannes anmeldete. Worte, die wie Verbrennungen immer dunkler wurden.
Blasen bildeten sich, platzten auf, und dickflüssige, gelbe Flüssigkeit spritzte heraus.
Schreie, die von unerträglichen, unvorstellbaren Qualen kündeten, hallten über den Platz, der Körper auf den Pflastersteinen zuckte krampfartig, als Muskeln und Fett unter der Haut schmolzen, dann kochten und herausplatzten.
Doch der Mann starb nicht.
Itkovian schob sein Schwert in die Scheide.
Der Malazaner begriff als Erster, was er vorhatte. Seine Hand schoss vor, schloss sich um den Arm des Schild-Ambosses. »Beim Abgrund, tut das – «
»Hauptmann Norul.«
Die Frau, deren Gesicht unter dem Helmrand totenblass war, legte eine Hand an den Schwertgriff. »Hauptmann Paran«, sagte sie, und ihre Stimme klang spröde und angespannt. »Nehmt Eure Hand weg.«
Er wirbelte zu ihr herum. »Aber selbst Ihr schaudert vor dem zurück, was er vorhat – «
»Trotzdem, mein Herr. Lasst ihn los, oder ich töte Euch.«
Bei dieser Drohung glitzerten die Augen des Malazaners merkwürdig, doch Itkovian konnte keinen Gedanken an den jungen Hauptmann verschwenden. Er hatte eine Verpflichtung. Rath’Fener war genug bestraft worden. Seine Qualen mussten enden.
Und wer wird mich retten?
Paran löste seinen Griff.
Itkovian beugte sich zu der zuckenden, kaum noch erkennbaren Gestalt auf den Pflastersteinen hinunter. »Rath’Fener, hört mich. Ja, ich komme. Werdet Ihr meine Umarmung annehmen?«
Trotz all des Neids und der Boshaftigkeit in dem gequälten Priester, all dessen, was zu dem Verrat nicht nur an Brukhalian, dem Todbringenden Schwert, sondern auch an Fener selbst geführt hatte, war ein kleines bisschen Barmherzigkeit in der Seele des Mannes verblieben. Barmherzigkeit und Einsicht. Sein Körper zuckte weg, seine Glieder schlitterten über die Pflastersteine, als er versuchte, aus Itkovians Schatten zu kriechen.
Der Schild-Amboss nickte, dann nahm er den eitertriefenden Körper in die Arme und richtete sich auf.
Ich sehe Euch zurückschrecken und weiß, dass dies Eure letzte Geste ist. Eine
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