SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
der vierten Mauer verlief eine schwere Kette, die in regelmäßigen Abständen am Fundament befestigt war – und daran war eine Reihe von Gefangenen gekettet. In der Nähe des stark befestigten Tors gab es eine Reihe von Zellen, von denen nur zwei besetzt waren – von Silgar und Damisk. Am rechten Knöchel des Sklavenmeisters glänzte ein kupferfarbener Ring.
Keiner der beiden Männer hob den Kopf, als Karsa auftauchte, und der Teblor überlegte kurz, ob er rufen sollte, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; stattdessen bleckte er angesichts ihrer misslichen Lage nur die Zähne. Während die Wächter ihn zur Reihe der angeketteten Gefangenen führten, wandte sich Karsa an den Mann namens Jibb und sprach ihn auf malazanisch an. »Was für ein Schicksal erwartet den Sklavenmeister?«
Der behelmte Kopf des Mannes fuhr überrascht hoch. Dann zuckte er die Schultern. »Das ist noch nicht entschieden. Er behauptet, dass er in Genabackis ein reicher Mann ist.«
Karsa knurrte. »Dann kann er sich also von seinen Verbrechen freikaufen.«
»Nicht nach imperialem Recht – wenn es schwere Verbrechen sind, heißt das. Könnte aber auch sein, dass er nur eine Geldstrafe bezahlen muss. Er mag ein Kaufmann sein, der mit lebendem Fleisch handelt, aber damit ist er immer noch ein Kaufmann. Ist sowieso am besten, sie da bluten zu lassen, wo es am meisten wehtut.«
»Genug gequatscht, Jibb«, brummte ein anderer Wächter.
Sie näherten sich dem einen Ende der Reihe, wo übergroße Schellen angebracht worden waren. Einmal mehr fand sich Karsa in Eisen gelegt, obwohl diese hier nicht so eng waren, dass sie ihm Schmerzen zugefügt hätten. Der Teblor bemerkte, dass er neben dem blauäugigen Einheimischen angekettet worden war.
Der Trupp überprüfte noch einmal die Beschläge und marschierte dann davon.
Es gab keinen Schatten, aber immerhin waren in bestimmten Abständen Eimer mit Quellwasser aufgestellt worden. Karsa blieb einige Zeit stehen, setzte sich dann jedoch hin und lehnte sich mit dem Rücken an die Mauer, eine Position, die auch die meisten anderen Gefangenen eingenommen hatten. Sie sprachen kaum miteinander, während der Tag langsam verstrich. Am späten Nachmittag bekamen sie endlich Schatten, doch die Erleichterung währte nur kurz, da schon bald die Stechmücken über sie herfielen.
Als der Himmel über ihnen sich allmählich verdunkelte, regte sich der blauäugige Einheimische und sagte mit leiser Stimme: »Ich habe dir einen Vorschlag zu machen, Riese.«
Karsa grunzte. »Was für einen?«
»Man sagt, dass die Lager bei den Bergwerken korrupt sind, was heißt, dass man sich Vergünstigungen verschaffen, sich das Leben leichter machen kann. An so einem Ort zahlt es sich aus, jemanden zu haben, der einem den Rücken deckt. Ich schlage dir vor, dass wir Partner werden.«
Karsa dachte über den Vorschlag nach und nickte dann. »Einverstanden. Aber wenn du versuchst, mich zu verraten, werde ich dich töten.«
»Ich könnte mir keine andere Reaktion auf Verrat vorstellen«, sagte der Mann.
»Dann habe ich nichts mehr zu sagen«, meinte Karsa.
»Gut, ich auch nicht.«
Er dachte kurz daran, den Mann nach seinem Namen zu fragen, aber dafür würde später noch Zeit genug sein. Im Augenblick war er zufrieden damit, die Stille auszudehnen, seinen Gedanken Raum zu geben. Es schien, als wollte Urugal, dass er doch noch in diese Otataral-Minen ging. Karsa hätte eine direktere – eine einfachere – Reise vorgezogen, so wie die Malazaner es ursprünglich geplant hatten. Zu viele bluttriefende Abschweifungen, Urugal. Es reicht.
Die Nacht brach herein. Zwei Soldaten mit Laternen tauchten auf und schlenderten an der Reihe der Gefangenen entlang, überprüften noch einmal die Fesseln, ehe sie sich zu ihren Unterkünften begaben. Von seinem Platz aus konnte Karsa eine Hand voll Soldaten sehen, die am Tor postiert waren, während mindestens einer jeweils auf dem Laufgang jeder Mauer patrouillierte. Zwei weitere standen vor den Stufen zum Hauptquartier.
Der Teblor lehnte den Kopf gegen die Mauer und schloss die Augen.
Einige Zeit später schlug er sie wieder auf. Er hatte geschlafen. Der Himmel war bedeckt, der Innenhof ein Flickenteppich aus Licht und Dunkel. Etwas hatte ihn geweckt. Er wollte aufstehen, doch eine Hand hielt ihn zurück. Er sah zur Seite und stellte fest, dass der Einheimische reglos neben ihm kauerte – den Kopf gesenkt, als würde er schlafen. Die Hand auf dem Arm des Teblor drückte einen
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