Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
die aus seinem langen Kinn sprossen. Der rostbraune Farbton, den sein Bart in der Jugendzeit gehabt hatte, war einem Grau gewichen … was seiner Meinung nach eine feine Sache war.
    Die Stadt Aren hatte sich in den Jahren, in denen er sie nicht gesehen hatte, kaum verändert – abgesehen davon, dass nur so wenige Schiffe im Hafen vor Anker lagen. Die gleiche Dunstglocke aus Rauch hing über der Stadt, der gleiche endlose Strom von Abwasser kroch in Suchers Tiefe hinaus – durch deren Wogen das dickbauchige, schwerfällige Transportschiff gerade segelte.
    Die neue Lederkappe scheuerte im Nacken; es hatte ihm beinahe das Herz gebrochen, die alte wegzuschmeißen, zusammen mit dem zerfetzten ledernen Wappenrock und dem Schwertgurt, den er einem Wächter des Falah’dan abgenommen hatte, der ihn nicht mehr gebraucht hatte. Tatsächlich hatte er nur einen einzigen Gegenstand aus seinem früheren Leben behalten, tief vergraben ganz unten in seinem Packsack, auf seiner Koje im Unterdeck, und er hatte nicht vor zuzulassen, dass ihn jemand entdeckte.
    Ein Mann trat zu ihm, lehnte sich lässig über die Reling und starrte über das Wasser zu der Stadt hinüber, die immer näher kam.
    Saiten grüßte ihn nicht. Leutnant Ranal verkörperte die schlimmsten Eigenschaften der militärischen Führungsschicht der Malazaner. Er war von adliger Geburt, hatte sein Offizierspatent in der Stadt Quon gekauft, war arrogant und unerbittlich und rechtschaffen und dennoch jederzeit bereit, das Schwert im Zorn zu ziehen. Er war ein wandelndes Todesurteil für seine Soldaten, und wie es das Glück des Lords wollte, war Saiten einer davon.
    Der Leutnant war ein großer Mann von reinstem Quon-Blut; hellhäutig, blond, mit hohen, breiten Wangenknochen, einer langen, geraden Nase und vollen Lippen. Saiten hatte ihn von dem Augenblick an gehasst, da er ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
    »Es ist allgemein üblich, einen Vorgesetzten zu grüßen«, sagte Ranal mit affektierter Gleichgültigkeit.
    »Wenn man Offiziere grüßt, werden sie getötet, Leutnant.«
    »Hier, auf einem Transportschiff?«
    »Wollte mich nur schon mal daran gewöhnen«, erwiderte Saiten.
    »Es war mir von Anfang an klar, dass du früher schon mal Soldat warst.« Ranal unterbrach sich und untersuchte die beweglichen, schwarzen Knöchel seiner behandschuhten Hände. »Beim Vermummten, du bist alt genug, um der Vater der meisten Seesoldaten zu sein, die da hinter uns auf dem Deck hocken. Der für die Rekrutierung verantwortliche Offizier hat dich direkt durchgeschickt – du hast kein einziges Mal geübt oder Probekämpfe gefochten. Und dennoch stehe ich nun hier, und man erwartet, dass ich dich als einen meiner Soldaten akzeptiere.«
    Saiten zuckte die Schultern, sagte jedoch nichts.
    »Besagter Rekrutierungsoffizier«, fuhr Ranal nach einem Augenblick fort, die blassblauen Augen noch immer auf die Stadt gerichtet, »hat gesagt, sie habe von Anfang an gesehen, was du zu verbergen versucht hast. Merkwürdigerweise hat sie es – genauer gesagt dich – für wertvoll gehalten, sogar für so wertvoll, dass sie mir vorgeschlagen hat, dich zum Sergeanten zu machen. Weißt du, warum ich das merkwürdig finde?«
    »Nein, Leutnant, aber ich bin sicher, Ihr werdet es mir gleich sagen.«
    »Weil ich glaube, dass du ein Deserteur warst.«
    Saiten beugte sich weit über die Reling und spuckte ins Wasser. »Ich bin einer ganzen Menge Deserteure begegnet, und sie alle hatten ihre Gründe, und nicht zwei davon waren gleich. Aber eines ist ihnen allen gemeinsam.«
    »Und was ist das?«
    »Sie stehen nie vor einem Rekrutierungsbüro Schlange, Leutnant. Genießen Sie die Aussicht noch.« Er drehte sich um und schlenderte aufs Hauptdeck zurück, wo die anderen Seesoldaten herumlümmelten. Die meisten von ihnen hatten sich längst wieder von der Seekrankheit erholt, doch ihr Wunsch, endlich von Bord gehen zu können, war deutlich spürbar. Saiten setzte sich hin, streckte die Beine aus.
    »Der Leutnant will deinen Kopf auf ’nem silbernen Tablett«, murmelte eine Stimme neben ihm.
    Saiten seufzte und schloss die Augen, reckte das Gesicht der Nachmittagssonne entgegen. »Was der Leutnant will und was er bekommt, ist noch längst nicht das Gleiche, Koryk.«
    »Was er bekommen wird, ist unser Haufen hier«, erwiderte das Seti-Halbblut; er rollte die breiten Schultern, und Strähnen seiner langen schwarzen Haare peitschten über sein flächiges Gesicht.
    »Es ist allgemein üblich, Rekruten mit

Weitere Kostenlose Bücher